Der BSW-EU-Abgeordnete Friedrich Pürner hat den Abbruch der Verhandlungen seiner Partei mit CDU und SPD über eine Regierungsbildung in Thüringen gefordert. Der Berliner Zeitung sagte Pürner:
„Nach den Ergebnissen im Sondierungspapier ist klar, dass es mit den Sondierungspartnern CDU und SPD nur ein ‚Weiter-so‘ geben wird. Wir als neue politische Kraft haben es versäumt, unsere Akzente in diesem Papier zu setzen.“
Konkret kritisierte der Abgeordnete, dass sich die Positionen des BSW zu den Themen Frieden und Corona-Aufarbeitung nicht in dem vor einer Woche vorgestellten Sondierungspapier der drei Parteien wiederfänden, in dem politische Leitlinien einer möglichen Landesregierung vorgestellt wurden. Pürner sagte:
„Die Themen Frieden und Aufarbeitung der Corona-Zeit, die sich das BSW auf die Fahne geschrieben hat, und worauf auch viele Wähler vertraut haben, sind in dem Papier nicht enthalten beziehungsweise nicht wiederzuerkennen. Das für uns wichtige Thema Frieden glänzt nur mit Abwesenheit.“
Besonders beanstandete Pürner, der als Amtsarzt in Bayern die staatlichen Corona-Maßnahmen scharf kritisiert und deswegen seinen Posten verloren hatte, die Passagen des Papiers zu diesem Thema:
„Im Sondierungspapier konnten sich BSW, CDU und SPD nicht auf ein direktes Benennen der Fehler in der Corona-Zeit einigen.“
So sei genau das herausgekommen, was eine Aufarbeitung blockiere:
„Es war schlimm; die Pandemie hat geschadet; wir wussten es nicht besser; wir müssen daraus lernen.“
Allerdings habe man sehr wohl bereits vieles während der Pandemie besser gewusst. Dies belegten auch die sogenannten RKI-Protokolle. Dem Mediziner ging es insbesondere um diese Formulierung im Sondierungspapier:
„Die Pandemie hat tiefe gesellschaftliche Spaltungen offenbart und viele Menschen durch Einsamkeit und Isolation zutiefst getroffen.“
Dies sei nicht zutreffend, nicht die Pandemie habe Spaltungen offenbart, vielmehr seien es die „politischen und oft evidenzlosen Maßnahmen“ gewesen, „die zu einer tiefen Spaltung“ geführt hätten. Eine Aufarbeitung könne so nicht erfolgen:
„Die wohlfeilen Worte des Thüringer-Papiers, die eine gewisse Distanz zwischen den Verantwortlichen und dem Leid vieler Menschen schaffen sollen, machen eine ehrliche Aufarbeitung unmöglich.“
Der EU-Abgeordnete erklärte, es sei gut gewesen, sich den schwierigen Verhandlungen zu stellen. Nun sei in Thüringen aber „der Zeitpunkt zum Ziehen der Reißleine“ erreicht:
„Brechen CDU und SPD die Gespräche ab, was aktuell nicht auszuschließen ist, hat sich das BSW-Thüringen verzockt und geht als gescholtenes Kind sowie politisch geschwächt und nicht erhobenen Hauptes aus diesen Verhandlungen raus.“
Pürner kritisierte auch die Thüringer BSW-Chefin Katja Wolf, die als Politikerin der Linken in der Corona-Zeit Oberbürgermeisterin von Eisenach war und sich nun im Gegensatz zur Bundesspitze der Partei gegenüber SPD und CDU betont pragmatisch gibt. Ohne Wolfs Namen zu nennen, sagt er:
„Gerade, wenn man zu einer Partei, die die Corona-Zeit ehrlich aufarbeiten möchte, wechselt, und selbst in einer verantwortungsvollen Position zum Beispiel als Oberbürgermeisterin war, muss man sich ehrlich machen. Insbesondere, wenn man gegenüber Maßnahmenkritikern und Ungeimpften nicht zimperlich war, wird der Fokus und das Scheinwerferlicht auf dieser Person liegen.“
Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass durch „schwammige Wortwahl und unpräzise Aussagen“ die Corona-Aufarbeitung verhindert werde, so der Abgeordnete weiter. Er warnte in diesem Zusammenhang auch vor einer „Goldgräberstimmung in der Politik“:
„Es darf auch nicht der Eindruck entstehen, dass Politiker der Linken, die das sinkende Schiff verlassen haben oder dies wollen, in das BSW wechseln, hohe Posten fordern und bekleiden.“
Die Glaubwürdigkeit des BSW sei ihm ein persönliches Anliegen, so Pürner weiter:
„Auch wenn ich ein Außenseiter in dieser Partei bin, werde ich nicht zusehen, wie entweder ungeeignete oder machtgierige Personen die Hoffnungen und den Vertrauensvorschuss des Wählers auffressen.“
Bereits am Freitag hatte die Berliner Zeitung berichtet, dass das Thüringer BSW alle eigenen Positionen in den Sondierungsgesprächen aufgegeben habe. Das Thema Friedenspolitik könne mit einem einzigen Satz in der Präambel des Koalitionsvertrages abgehandelt werden.
Die Forderung nach der Wiederaufnahme des Gasimportes aus Russland sei fallen gelassen worden, auch in allen sonstigen wichtigen Fragen – einschließlich der Migrationspolitik – sei das BSW auf die Linie von CDU und SPD eingeschwenkt. Weil die Parteispitze des BSW um die Gründerin Sahra Wagenknecht mit diesem Kurs nicht einverstanden sei, könnten die Gespräche um eine Regierungsbildung in Erfurt vor dem Aus stehen.
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