Im zweiten Teil der Serie stellen die Chefs der kasachischen, spanischen, türkischen und belarussischen Nachrichten Agenturen ihre Fragen an den russischen Staatspräsidenten.
Wladimir Putin erteilt den anwesenden vierzehn
internationalen Nachrichtenagenturen Staatsunterricht

M. Guzman: Wladimir Wladimirowitsch, wie Sie wissen, pflegen wir seit vielen Jahren eine sehr enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unseren Freunden der kasachischen Medien und stehen mit diesen in regelmäßigem Kontakt. Vor einiger Zeit hat der geschätzte Präsident Kasachstans, Qassym-Schomart Kemeluly Toqajew, einen großen Fernseh- und Radiokomplex gegründet, zu dem auch die Nachrichtenagentur Kazinform mit eigenen Verbindungen gehört.
Unser Freund und Kollege, Askar Dzhaldinov ist heute hier bei uns: Er leitete Kazinform und ist jetzt stellvertretender Direktor des Fernseh- und Rundfunkkomplexes, leitet aber weiterhin die Informations-Redaktion.
Ich möchte ihm das Wort erteilen.

A. Dzhaldinov: Vielen Dank für die Einladung, Wladimir Wladimirowitsch!
Ich habe eine Frage an Sie. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Kasachstan und Russland entwickelt sich weiterhin positiv. Was könnten unsere Länder Ihrer Meinung nach tun, um die weitere Entwicklung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zu fördern, insbesondere angesichts der globalen Herausforderungen?
W. Putin: Wir unterhalten besondere Beziehungen zu Kasachstan – das ist offensichtlich und für jeden erkennbar. Wir haben ein Bündnis im wahrsten Sinne des Wortes. Unsere gemeinsame Geschichte als Teil eines einzigen Staates sowie die zahlreichen zwischenmenschlichen und humanitären Kontakte zwischen den Menschen sind von großer Bedeutung.
Kasachstan ist sowohl Mitglied der CSTO [Organisation des Vertrages kollektiver Sicherheit], unserer Verteidigungsstruktur, wie auch Mitglied der [Eurasischen] Wirtschaftsgemeinschaft. Wir arbeiten mit Kasachstan im Rahmen der SCO [Shanghai Cooperation Organisation] und anderer Organisationen zusammen. All das ist sehr wichtig, weil es die Voraussetzungen zur Entwicklung der Zusammenarbeit auf den für uns wichtigsten Bereichen schafft.
Ich möchte noch etwas zum Bereich Energie sagen: Das war schon immer einer unserer Schwerpunkte. Wir erwägen derzeit eine Ausweitung unserer Energie- und Gaslieferungen. Bekanntlich war in der Sowjetunion die Gasinfrastruktur so ausgelegt, dass ein Teil der Energieressourcen von Russland nach Kasachstan geliefert wurde. Traditionell wurden die Energieressourcen im Rahmen des einheitlichen Staates aus Russland geliefert. Dies tun wir auch weiterhin.
Wir diskutieren inzwischen mit dem Präsidenten Kasachstans die Möglichkeit, die Zusammenarbeit im Energiebereich auszuweiten. Wir überlegen, wie wir gemeinsam Märkte von Drittländern beliefern und Logistikrouten zur Lieferung von kasachischem Öl organisieren könnten. Zurzeit wird der größte Teil der kasachischen Ölexporte über die Russische Föderation abgewickelt.
Dies geschieht über das CPC-System – das Kaspische Pipeline-Konsortium – und andere Kanäle. Fast das gesamte kasachische Öl wird über Russland exportiert. Wir verstehen jedoch, dass Kasachstan an einer Diversifizierung interessiert sei. Wir sind bereit, dies helfend zu unterstützen. Wir arbeiten bezüglich der Belieferung von Europa zusammen bzw. haben bisher diesbezüglich zusammengearbeitet.
Wir kooperieren in Bezug auf die Erforschung des Weltraums. Dabei geht es nicht nur um die Nutzung des Kosmodroms Baikonur. Es geht auch um die Entwicklung von Satellitenkonfigurationen und gemeinsamer Weltraumforschung.
Wir pflegen derzeit unseren Handelsumsatz, der stetig wächst – fast 95 Prozent in Landeswährung. Das ist ein sehr guter Indikator: Es ermöglicht uns, das Wachstum unseres Handelsumsatzes trotz aller Schwierigkeiten beim Geldtransfer mit gegenseitigen Zahlungsströmen für Waren und Dienstleistungen aufrechtzuerhalten.
Ganz zu schweigen von unseren Beziehungen im humanitären Bereich und im Bildungswesen: Diese entwickeln sich ausgesprochen aktiv. Ich hoffe sehr, dass dies so bleibt: Qassym-Schomart Kemelewich ist ein Mensch, der die Bedeutung der Beziehungen zu Russland für Kasachstan sehr gut versteht. Wir wissen das sehr zu schätzen. Wir reagieren darauf und werden auch weiterhin darauf eingehen.
Schließlich arbeiten wir im Bereich der Strafverfolgung gemeinsam daran, allen Bedrohungen durch organisierte Kriminalität und Terrorismus entgegenzuwirken. Wir halten dies für sehr wichtig. Ich habe bereits erwähnt, dass wir Mitglieder einer Verteidigungsorganisation – der CSTO – sind. Hier arbeiten unsere Verteidigungsministerien kontinuierlich und sehr effektiv zusammen.
Ich möchte betonen, dass diese Aktivitäten niemals gegen Drittländer gerichtet waren und auch heute nicht gegen solche gerichtet sind. Es geht lediglich darum, die Sicherheit in unserer Region zu gewährleisten, da wir viele Faktoren zu beachten haben, darunter auch die Lage in Afghanistan. Kasachstan hat zwar keine gemeinsame Grenze mit Afghanistan, aber andere Länder haben eine und wir sind uns der Infiltration terroristischer Gruppen in diese Nachbarländer innerhalb der vergangenen Jahre bewusst.
Schließlich haben wir zwischen Russland und Kasachstan, die längste Staatsgrenze der Welt. Das ist für uns von Bedeutung und hat einen Zweck: Wir werden unsere Beziehungen auch in dieser Hinsicht weiter ausbauen. Daher möchte ich noch einmal betonen, dass Kasachstan zweifellos eines der uns am nächsten stehenden Länder und unser Verbündeter ist.
Ich sehe keine Faktoren, die der Entwicklung unserer Beziehungen entgegenstehen – überhaupt keine: Wir werden weiterhin neue Bereiche der Zusammenarbeit erschließen. Wie Sie vielleicht wissen, treffen wir uns regelmäßig mit Qassym-Schomart Toqajew: Er besucht uns und ich besuche Kasachstan sehr gerne. Unsere Regierungen und Außenministerien stehen in ständigem Austausch und arbeiten zusammen.
A. Dzhaldinov: Vielen Dank!
M. Guzman: Vielen Dank, Wladimir Wladimirowitsch.
Zu meiner Rechten sitzt unser geschätzter Kollege und Freund von der spanischen Nachrichtenagentur EFE, Manuel Sanz Mingote, den Sie bereits kennen. Er ist in Spanien nicht nur als hervorragender Journalist, sondern auch als Experte für Geschichte und Philosophie bekannt und ein sehr beliebter Dozent. Daher möchte ich ihn bitten, Ihnen eine Frage, auf die er schon lange gewartet hat, zu stellen. Bitte sehr!

M. Sanz Mingote: Zunächst möchte ich mich meinen Kollegen anschließen und Ihnen für die Einladung, die Gastfreundschaft von TASS und Ihrem direkten Austausch mit den Nachrichtenagenturen, danken.
In wenigen Tagen findet bekanntlich ein NATO-Gipfel statt. Ein Thema zur Diskussion wird sein, dass Europa über Aufrüstung nachdenkt und plant, mehr für sein Militär auszugeben. Meine Frage ist ganz einfach: Wenn Sie die Gelegenheit hätten, vor den Mitgliedern dieser Organisation zu sprechen, was:
- würden Sie diesen sagen,
- wäre Ihre Botschaft
- wäre das Ziel?
Betrachten Sie besagte Aufrüstung der NATO als Bedrohung für Russland?
W. Putin: Wir betrachten eine Aufrüstung der NATO für die Russische Föderation als keinerlei Bedrohung, da wir in Bezug auf unsere eigene Sicherheit autark sind und unsere Streitkräfte und Verteidigungsfähigkeiten ständig verbessern. Was auch immer die NATO unternimmt, das schafft natürlich gewisse Bedrohungen:
Doch, wir werden alle Bedrohungen, die entstehen würden, neutralisieren: Daran besteht kein Zweifel!
- Erstens: In diesem Sinne macht jegliche Aufrüstung mit Erhöhung der Budgets auf fünf Prozent vom BIP der NATO-Staaten keinen Sinn.
- Zweitens: Leider – wie wir alle wissen – sind im Laufe der Jahrhunderte und über längere Zeiträume hinweg, Fragen in Bezug auf eine Bedrohung durch Russland im Westen immer wieder aufgetaucht.
Es kam westlichen Eliten gelegen, ihre Innenpolitik auf Grundlage einer imaginären Bedrohung aus dem Osten darzustellen, um laufend Geld von ihren Steuerzahlern abzukassieren und ihre eigenen wirtschaftlichen Fehler mit der Bedrohung aus dem Osten rechtzufertigen. Wollten wir die Geschichte gemeinsam durchgehen, würden wir herausfinden, dass dieses Thema immer wieder Teil der aktuellen Agenda war.
Es ist klar, dass die aktuelle Krise in den Beziehungen zwischen Russland und Westeuropa im Jahr 2014 begann:
Das Problem ist jedoch nicht, dass Russland die Krim annektierte, sondern dass westliche Länder zum Staatsstreich in der Ukraine beigetragen haben!
Wir haben es schon oft gehört: Man muss sich an die Regeln halten! Nach welchen Regeln? Was sind das für Regeln, indem drei Staaten – Frankreich, Deutschland und Polen – nach Kiew kamen und als Garanten ein Abkommen zwischen der Opposition und den Behörden unter Präsident Janukowitsch unterzeichneten? Drei Staaten und deren Außenminister hatten es unterzeichnet.
Ein Kollege aus Deutschland, Herr Steinmeier, der damals Außenminister war, war mit mir zugegen und hat [das Abkommen] mitunterschrieben. Doch, wenige Tage später hat die Opposition einen Staatsstreich inszeniert und niemand hat auch nur mit der Wimper gezuckt, als wäre nichts geschehen. Doch, dann hörten wir: „Wir müssen uns an die Regeln halten!“ Von welchen Regeln spricht man? Was schlägt man vor? Man lässt Regeln für andere aufstellen, aber sie haben nicht vor, sich selbst daran zu halten, oder?
Wer möchte nach solchen Regeln nur leben?
Damit nahm die Krise ihren Anfang. Aber nicht, weil Russland aus einer Position der Stärke heraus handelte, sondern weil diejenigen, die wir zuvor als unsere Partner bezeichnet hatten, aus einer Position der Stärke heraus agierten. Und die vormalige stellvertretende US-Außenministerin, Frau [Victoria] Nuland [„fuck the EU“], hat, so erinnere ich, ausdrücklich erklärt: „Wir haben fünf Milliarden Dollar [für den Staatsstreich] ausgegeben und keinerlei Absicht, nachzugeben!“
Fünf Milliarden US-Dollar für einen Staatsstreich – was für eine Offenbarung!
Unsere westlichen Partner haben seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion immer von einer Position der Stärke aus gehandelt. Der Grund dafür ist klar und ich habe darüber geschrieben:
Die Weltordnung nach dem Zweiten Weltkrieg basierte auf einem Gleichgewicht der Kräfte zwischen den Siegern. Mit Auflösung der Sowjetunion verschwand jedoch einer der Sieger-Staaten. Infolgedessen begannen die westlichen Mächte, die Regeln neu zu formulieren. Von welchen [neuen] Regeln sprechen wir?
Nach der Krim begannen sich die Ereignisse im Südosten der Ukraine zu überschlagen. Was unternahm man? Im Südosten haben die Menschen diesen Staatsstreich [2014 in Kiew] nicht anerkannt. Anstatt mit ihnen zu verhandeln, wurde die Armee gegen sie in Marsch gesetzt. Wir haben das beobachtet, zugesehen und versucht, eine Einigung zu erzielen – acht Jahre lang, verstehen Sie das? Es waren nicht nur fünf Tage:
Acht Jahre versuchten wir, eine Einigung zwischen Kiewer Behörden, deren primäre Machtquelle auf dem Staatsstreich fußte und dem damaligen Südosten der Ukraine, der Donbass-Region, zu erzielen!
Doch, am Ende erklärten die ukrainischen Behörden, dass sie mit den Minsker Vereinbarungen nicht zufrieden seien und sie daher nicht umsetzen wollten. Wir waren acht Jahre lang geduldig – stellen Sie sich das vor?
Aber es lief bedauerlich für die Menschen, die acht Jahre lang schikaniert worden sind. Letztendlich schikanieren sie immer noch die russisch-orthodoxe Kirche und die russischsprachige Bevölkerung: Alle tun so, als würden sie das nicht bemerken!
Letztendlich haben wir die Entscheidung getroffen, diesen Konflikt zu beenden – ja, mit Hilfe unserer Streitkräfte. Was bedeutet das? Planen wir Osteuropa oder sonst etwas angreifen? Ein berühmter Nazi-Propagandist sagte einmal:
Je unglaublicher eine Lüge ausfällt, umso mehr Leute glauben sie!
Dieser Mythos, dass Russland plant, Europa und die NATO-Länder anzugreifen, ist eine unglaubliche Lüge, die verbreitet wird, um die Menschen aus Westeuropa das glauben zu lassen. Wir verstehen, dass dies blanker Unsinn ist. Diejenigen, die diese Lüge verbreiten, glauben selbst nicht daran. Sie hier wahrscheinlich auch nicht. Glaubt irgendjemand von Ihnen, dass Russland einen Angriff auf die NATO vorbereite?
Worum geht es hier eigentlich? Wussten Sie, dass die NATO-Staaten derzeit 1,4 Billionen Dollar für Waffen [jährlich] ausgeben? Das ist mehr als alle übrigen Länder der Welt zusammen, einschließlich Russland und der Volksrepublik China. Die Zahl der Bevölkerung der NATO-Staaten liegt bei 973 Millionen. Russland hat bekanntlich etwa 145 Millionen Einwohner und nähert sich derzeit der 150-Millionen-Marke.
Wir geben eine nicht vergleichbaren Betrag für Waffen aus: Und wir wollten NATO angreifen? Was für eine lächerliche Idee! Jeder versteht, dass dies Unsinn ist. Sie täuschen ihre eigene Bevölkerung, um Geld aus ihren Haushalten abzuzweigen – fünf Prozent [vom BIP], um darüber die Fehlschläge ihrer Wirtschaften und in ihren sozialen Bereichen zu erklären.
Natürlich bewegt sich Deutschland, die führende Wirtschaft der Europäischen Union, am Rande einer Rezession. Übrigens verstehe ich immer noch nicht, warum die Bundesrepublik auf russische Energieressourcen verzichtet. Wir haben andere europäische Länder über die Ukraine beliefert und die Ukraine hat jedes Jahr 400 Millionen Transitgebühren von uns erhalten, aber aus irgendeinem Grund hat Deutschland sich geweigert, russisches Gas zu beziehen. Warum? Es gibt keine rationale Erklärung dafür:
Volkswagen stirbt, Porsche stirbt, die Glasindustrie stirbt und Düngemittelindustrie stirbt!
Wofür? Es verhält sich wie: Man würde sich eine Fahrkarte kaufen, doch nicht damit fahren, nur um dem Schaffner eines auszuwischen. Das klingt nur lächerlich!
Wenn die NATO-Staaten also ihre Budgets noch weiter aufstocken wollen, ist das ihre Sache. Allerdings wird das niemandem nützen. Es wird zusätzliche Risiken schaffen – ja, das wird es. Doch, das ist nicht unsere Entscheidung, sondern eine Entscheidung der NATO-Staaten. Ich halte das für völlig irrational und sinnlos, zumal keine Bedrohung durch Russland besteht. Es blanker Unsinn. Dr. Goebbels hat einmal gesagt und ich wiederhole es: Je grösser die Lüge, umso mehr wird sie geglaubt! Vielleicht glaubt das jemand in Europa.
Sie sollten sich darauf konzentrieren, ihre Automobilindustrie zu retten und die Löhne zu erhöhen.
M. Guzman: Vielen Dank, Wladimir Wladimirowitsch!
Ich möchte mich an meinen langjährigen Freund aus der Türkei wenden. Die Türkei steht derzeit im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit: Einerseits bietet Istanbul eine wichtige internationale Verhandlungsplattform, andererseits kommt der Sommer und viele Russen, aber nicht nur diese, reisen in die Türkei, um dort Urlaub zu machen.
Serdar Karagöz vertritt die Anadolu Agency, die führende türkische Nachrichtenagentur, als ihr Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor. Es gibt jedoch eine Sache, die ich für die klügste Entscheidung unserer Kollegen halte, da er der Einzige ist, der mit seiner Frau zu diesem Treffen angereist war. Wir begrüßen diese Initiative, die ein Aufruf an unsere Kollegen ist, in Zukunft mit ihren Ehefrauen zu erscheinen.
Herr Karagöz, Sie haben das Wort.
W. Putin: Entweder ist er mit seiner Frau gekommen oder seine Frau hat ihn nicht gehen lassen, das wissen wir nicht!
M. Guzman: Um ehrlich zu sein, haben wir uns darüber unterhalten. Wahrscheinlich hat sie gesagt, dass er ohne sie nicht fahren dürfe. Er kann bestätigen, dass dies der Gesprächsinhalt war.
W. Putin: Aber wir werden uns mit der Hoffnung trösten, dass Ihre Frau Russland und St. Petersburg besuchen möchte. Ich hoffe, es wird ihr gefallen.
M. Guzman: Sie spricht noch Russisch.
W. Putin: Das ist großartig!

S. Karagöz: Vielen Dank, Herr Präsident.
Meine Frau hat an einer Universität in Russland studiert. Sie wollte wirklich gerne kommen und wir haben ein wunderbares Konzert gehört, es war großartig!
Russland hat unabhängig von den Umständen immer Wert auf Kunst und Literatur gelegt. Allerdings gibt es in Russland einerseits eine Fortsetzung der kulturellen und künstlerischen Veranstaltungen, andererseits herrscht jedoch zwischen Russland und der Ukraine Krieg. Ich würde gerne mit Ihnen darüber sprechen, wie dieser Krieg beigelegt werden kann:
Zu Beginn dieses Krieges haben Sie mit dem türkischen Präsidenten Erdogan ein Abkommen zum Getreidekorridor unterzeichnet. Gemeinsam haben Sie das Problem gelöst, Millionen von Menschen vor dem Hungertod zu bewahren. Selbst unter solch schwierigen Umständen konnten Sie Lösungen für diese komplexen Probleme finden.
Letzte Woche hat Herr Erdogan zu einem Friedensgipfel in der Türkei aufgerufen. Herr Selenskyj hat sofort zugestimmt. Herr Trump sagte, falls Putin hinginge, würde auch er kommen. Wir haben eine Nachricht aus dem Kreml erhalten, dass die Bedingungen dafür noch nicht reif wären. In diesem Zusammenhang möchte ich fragen: Glauben Sie, dass Staats- und Regierungschefs eine wichtige Rolle bei der Lösung dieses Problems spielen würden? Welche Bedingungen müssten erfüllt sein, damit Staats- und Regierungschefs sich treffen und diesen Konflikt beenden könnten?
Vielen Dank!
W. Putin: Erstens: Was die Aussage von Präsident Trump betrifft, so habe ich das anders verstanden. Herr Trump sagte: „Putin kommt nicht, weil ich nicht komme. Was sollte er dort tun, wenn ich nicht da wäre?“ Damit hat er Recht – in diesem Sinne hat er völlig Recht.
Zweitens: Trump hat auch wiederholt gesagt, dass es keinen Krieg gegeben hätte, falls er Präsident geworden wäre. Auch hier hat er meiner Meinung nach Recht. Ich werde Ihnen sagen, warum:
In einem meiner letzten Telefongespräche mit Herrn Biden sagte ich ihm, dass wir die Situation nicht zu einem heißen Konflikt eskalieren lassen sollten. Stattdessen sollten wir sie friedlich lösen und die derzeitige ukrainische Regierung dazu zwingen, den Forderungen ihrer Bürger im Südosten nachzukommen.
Wir müssen den Völkermord an der russischsprachigen Bevölkerung stoppen und auch Menschenrechtsverletzungen, die ein ständiges Anliegen der vorherigen Administration waren!
Übrigens habe ich ihm damals gesagt: „Sie glauben, dass es einfach sein wird, dies zu lösen, aber es könnte einige Zeit dauern und es wäre vielleicht besser, die Situation nicht in die Richtung, in die Sie vorgeben, zu treiben.“
Das sagte ich Biden. Tatsächlich, falls Trump Präsident geworden wäre, wäre dieser Konflikt möglicherweise nicht entstanden. Ich halte das für möglich. Was nun die hochrangigen Treffen anging: Ich war ja an den Verhandlungen in Minsk beteiligt, als wir nach den Grundsätzen eine friedliche Lösung suchten und siebzehn Stunden lang, die ganze Nacht hindurch, verhandelt hatten.
Ja, wir haben uns auf diese Grundsätze geeinigt, aber sie wurden von der westlichen Seite nicht eingehalten. Die vormalige Bundeskanzlerin [A. Merkl] hat inzwischen gestanden, dass dies notwendig gewesen wäre, um einfach nur Zeit zu gewinnen, um die Ukraine aufzurüsten. Sie sagte dies öffentlich – niemand hat sie dazu gezwungen. Der ehemalige Präsident Frankreichs hat dies noch bestätigt. Beide haben es ausgesprochen. Mit anderen Worten:
Es stellte sich heraus, dass unsere sogenannten westlichen Partner keine Absicht hatten, ihre Verpflichtungen einzuhalten!
Mittlerweile müssen wir eine Lösung finden, die nicht nur den aktuellen Konflikt beendet, sondern auch langfristig die Voraussetzungen schafft, dass sich solche [kriegerische] Entwicklungen nicht wiederholen können.
Nachdem der Konflikt ausgebrochen war, versuchten wir, die ukrainische Seite davon zu überzeugen, jenen Teil der Ukraine, der sich von ihr abgespaltet hatte, unter den bekannten Bedingungen und Vereinbarungen von Minsk mit ihr wieder zu vereinen, aber sie lehnten das ab. Dies hat schließlich zum bewaffneten Konflikt geführt!
Was unternahmen wir? Ich habe bereits mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen [António Guterres] darüber gesprochen und mich dazu auch öffentlich geäußert. Man kann argumentieren, wie man will. Man kann Russland für den Beginn der Aggression verurteilen, doch hören Sie mir zu: Man muss kein großer Experte für Völkerrecht sein, um jene Logik zu verstehen, die ich Ihnen gleich erläutern möchte:
- Erstens: Ein Teil des Territoriums eines Landes hat beschlossen, sich vom Hauptteil abzuspalten. Es handelt sich um den Südosten der Ukraine – Donezk und Luhansk hatten sich entschieden abzuspalten. Hatten sie das Recht dazu oder nicht? Streng genommen haben sie im Rahmen des Völkerrechts und der UN-Charta das Recht dazu. Der entsprechende Artikel spricht vom Selbstbestimmungsrecht der Völker. Meiner Meinung nach ist es sogar der erste Artikel. Sie verstehen, es geht um das Selbstbestimmungsrecht der Menschen.
- Zweitens: Wäre dieser Teil des Landes während dieses Prozesses verpflichtet gewesen, die Zentralregierung in Kiew um Erlaubnis zu fragen, oder nicht? Nein. Es gibt ein Urteil des Internationalen Gerichtshofs, wonach es einen Präzedenzfall, der durch den Kosovo geschaffen wurde, gibt. Der Internationale Gerichtshof hat ausdrücklich festgestellt, dass ein Teil eines Landes, der sich für die Abspaltung entscheidet, nicht verpflichtet ist, die Zentralregierung um Erlaubnis zu fragen.
Nun, der Donbass hat sich abgespalten. Weiters: Hatten wir das Recht, seine Unabhängigkeit anzuerkennen? Wir haben bekanntlich die Abspaltung acht Jahre lang nicht anerkannt.
Wir haben acht Jahre lang ausgeharrt und versucht zu verhandeln. Schließlich erklärten sie ihre Unabhängigkeit!
Hatten wir das Recht, sie anzuerkennen? Warum nicht? Wir haben sie anerkannt. Indem wir sie anerkannten, sind wir einen Beistandspakt mit ihnen eingegangen. Konnten wir das tun? Natürlich konnten wir das!
Wir haben es getan. Im Rahmen dieses Vertrags, den wir im Parlament ratifizierten, waren wir dazu verpflichtet, ihnen Beistand, einschließlich militärischer Hilfe, zu leisten. Sie haben uns offiziell um diesen Beistand, den wir leisteten, gebeten!
Sagen Sie mir, wo ich falsch läge – bei welchem Schritt ich einen Fehler begangen hätte. Sie werden ihn nicht finden, denn es gibt ihn nicht. Alles hat sich von einer Sache zur anderen entwickelt.
Indem ich vom Präzedenzfall Kosovo spreche, erinnere ich mich daran, was damals passierte. Die westeuropäischen Länder und die Vereinigten Staaten haben großen Druck auf den UN-Gerichtshof ausgeübt und dieser hat die folgende Entscheidung getroffen:
Wenn sich ein Teil eines Landes abspaltet, muss er nicht die Zustimmung der Zentralregierung einholen!
Das ist alles! Wir sind dem gefolgt. Doch dann sagte man [nur zu uns]: „Wie konnten Sie das machen?“ Und, dann kommt es: Man könne es tun, doch man könne es nur in unserem Fall nicht tun? Ist das klar? So kann das nicht funktionieren. Die Regeln müssen einheitlich gelten, nur dann wären sie stabil – nur dann produzierten sie eine Garantie für die Sicherheit aller, doch nicht auf Kosten Dritter: Das ist der entscheidende Punkt – die entscheidende Schlussfolgerung!
Nun, wir sind bereit für ein Treffen. Ich habe übrigens gesagt, dass ich bereit bin, mich mit allen zu treffen, auch mit Selenskyj. Denn, darum geht es nicht: Wenn der ukrainische Staat, um zu verhandeln, jemandem vertraut, dann kann es auch meinetwegen Selenskyj sein, das wäre nicht der Punkt:
Die Frage ist nur, wer das Dokument unterzeichnen könnte?
Das habe nicht ich mir ausgedacht: Solange es um Propaganda geht, können Sie über die Legitimität der derzeitigen Administration, wie immer man will, streiten. Wenn es jedoch um ernsthafte Fragen geht – nicht um propagandistische Effekte – ist nur die rechtliche Seite von Bedeutung.
Wie sieht es mit besagtem rechtlichen Aspekt aus? Gemäß ukrainischer Verfassung wird der Präsident der Ukraine für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt und es gibt keine Möglichkeit, seine Amtszeit zu verlängern, auch nicht während eines Kriegszustands. Hören Sie bitte genau zu:
Während eines Kriegszustands würden nur die Rechte des [ukrainischen] Parlaments, der Werchowna Rada, verlängert!
Das heißt, während eines Kriegszustands finden keine Wahlen statt. Das ist richtig: Und es wurde nicht festgelegt, dass die Rechte des Präsidenten verlängert würden. Nein – das ist alles!
Gemäß ihrer verfassungsmäßigen Struktur ist die Ukraine keine parlamentarische oder präsidiale Republik, sondern eine präsidial-parlamentarische Republik. Was bedeutet das? Es bedeutet, dass alle Regierungsorgane vom Präsidenten eingesetzt werden. Alle glauben, dass dies eine demokratische Gesellschaft sei. So kann ein Staat strukturiert sein: Alles wird vom Präsidenten ernannt, einschließlich der Militärkommandanten, Minister und Gouverneure:
Falls jedoch die erste Person nicht mehr legitim wäre, verlöre das gesamte Regierungssystem seine Legitimität!
Warum sage ich das? Es ist uns egal, wer verhandelt, selbst wenn es der derzeitige Regierungschef wäre. Ich bin sogar zu einem Treffen bereit, aber nur, wenn es sich um eine letzte Phase dreht, damit wir nicht endlos darüber streiten müssen, sondern endlich zu einem Ergebnis gelangen. Das Ende müsste jedoch von legitimen Vertretern angenommen werden, sonst könnte die nächste Person kommen und alles wieder in den Papierkorb werfen. Das wäre nicht akzeptabel, da es sich um eine schwerwiegende Angelegenheit handelt. Daher lehne ich diese Idee nicht ab, aber sie erfordert erhebliche Anstrengungen.
Und schließlich das Wichtigste – vielleicht nicht das Wichtigste, aber nichtsdestoweniger wichtig. Als wir vor dem Konflikt die ukrainischen Behörden aufgefordert hatten, alle Minsker Vereinbarungen umzusetzen, haben sie dies abgelehnt. Dann begann die bekannte „Militärische Sonderoperation“ [SMO].
Sobald sie begann – und das ist auch kein Geheimnis –, sagten wir ihnen: „Ziehen Sie Ihre Truppen aus den Republiken Donezk und Luhansk zurück, die wir als unabhängige Staaten anerkannt haben und morgen wäre alles vorbei!“ „Nein, wir werden kämpfen!“ lautete die Antwort. Nun, kämpfen wir…

Dann verging noch etwas Zeit und ich sprach auch öffentlich darüber. Einer meiner westlichen Kollegen trat an mich heran: „Könnten Sie sich vorstellen, die Region Cherson und die Region Saporischschja aufzugeben. Sie haben um Donezk und Luhansk gekämpft, aber jene [Oblaste] scheinen nicht relevant zu sein!“ Ich antwortete: „Das folgte der Logik des Krieges!“ Er fragte: „Könnten Sie sich vorstellen, zu gehen?“ Ich sagte: „Wir könnten die Souveränität der Ukraine berücksichtigen, aber mit einem obligatorischen Durchgangsrecht zur Krim!“
Warum? Weil man ständig damit droht, die Krimbrücke zu zerstören. Das ist ganz einfach. Er fragte: „Kann ich das in Kiew weiterreichen?“ „Ja, das können Sie!“ Er ging hin und sagte es ihnen. Sie bezeichneten ihn als Kreml-Agenten. Er ist einer der höchsten Offiziellen eines bekannten Landes. Es war völliger Unsinn: Sie haben es einfach abgelehnt!
In Ordnung, gut: Als Reaktion auf die Forderungen der Bürger, die in diesen Gebieten leben, haben wir Referenden abgehalten und nun wurden auch sie integraler Bestandteil der Russischen Föderation. Wie ich bereits sagte, wird sich die Lage verschärfen und für die Ukraine hat sie sich bereits verschärft. Jetzt geht es nicht mehr nur um Donezk und Luhansk, sondern um noch zwei weitere Regionen der Russischen Föderation, darunter die Krim. Lassen Sie uns darüber sprechen.
Übrigens, als wir 2022 in Istanbul verhandelt haben – vielen Dank, Herr Präsident Erdogan – haben wir uns, so seltsam es auch klingen mag, über alles geeinigt. Der ausgearbeitete Vertragsentwurf umfasste Fragen der Entnazifizierung sowie auch territoriale Fragen.
Wir haben Formulierungen gefunden, die sowohl uns als auch der Ukraine grundsätzlich zusagten. Doch dann kamen diejenigen, welche die Verteidigungsausgaben in Europa und Übersee erhöhen wollen und verkünden ließen:
Nein, wir müssen Russland auf dem Schlachtfeld besiegen!
Alles, worauf wir uns geeinigt hatten, wurde verworfen. Das war’s, nachdem wir knapp daran waren, dieses wunderbare Ergebnis zu erzielen.
Inzwischen hat sich die Lage verändert und sie sagen: „Nein, lasst uns verhandeln!“ Lasst uns diese „Pakete“ öffnen und neu verhandeln. Aber wir können nicht ein [weiteres] ganzes Jahr lang Tag und Nacht hier sitzen. Deshalb sind wir bereit, diese Verhandlungen fortzusetzen.
Die aktuelle Lage auf humanitärer Ebene ist so, dass diese Verhandlungen Sinn machen. Wir haben bereits vereinbart, 1.200 Gefangene auszutauschen. Es ist gut, dass wir Menschen zurückkehren lassen.
Wir haben bereits 500 Personen freigelassen und 400 [unsererseits] zurückerhalten. Ich glaube, dass hier alles fair abgehen wird und wir alle Personen zurückerhalten werden, die wir zurückerhalten müssen. Leider ist es traurig und schwierig, darüber zu sprechen, aber wir haben bereits sechstausend ukrainische Gefallene – mehr als sechstausend – übergeben und im Gegenzug, meine ich, 57 russische Gefallene erhalten, nachdem wir besagte sechstausend Gefallene unsererseits übergeben hatten.
Wir sind bereit, inzwischen weitere dreitausend Tote zu übergeben. Ich möchte einmal mehr wiederholen, dass dies traurige und tragische Ereignisse widerspiegelt.
Dennoch handelt es sich hierbei um eine humanitäre Angelegenheit und das stellt ein positives Ergebnis der Verhandlungen in Istanbul dar. Ich danke Ihnen für die Bereitstellung dieser Plattform und danke Präsident Erdogan!
Wir sind jedoch auch bereit, substanzielle Verhandlungen über die Grundsätze einer Einigung zu führen. Wir benötigen lediglich die Bereitschaft der ukrainischen Seite dazu. Wir brauchen ihre westlichen Sponsoren und sogenannten Verbündeten dazu, damit sie aufhören, einen Kampf bis zum letzten Ukrainer zu verlangen, um sich stattdessen auf die Realitäten des Alltags konzentrieren und Verhandlungen zu fördern, anstatt die Feindseligkeiten fortsetzen zu lassen. Das ist alles. Wir stehen in Kontakt und unsere Verhandlungsteams stehen miteinander in Kontakt. Ich habe gerade [Wladimir] Medinsky [russischer Verhandlungsführer und Envoy] gefragt, und er sagte, er habe eben mit seinem Amtskollegen in Kiew gesprochen. Sie verhandeln im Wesentlichen über ein Treffen nach dem 22. Juni.
Ich muss jedoch gleich hinzufügen, dass Herr [Hakan] Fidan [türkischer Außenminister], ganz zu schweigen von Präsident Erdogan, viel für diese Einigung tun, ebenso wie der Präsident der Vereinigten Staaten, Herr Trump, der meiner Meinung nach aufrichtig an einer Einigung interessiert ist.
Wir werden uns sicherlich auf die Position unserer Freunde aus China, Indien und anderen BRICS-Ländern stützen. Wir stehen in dieser Frage in ständigem Kontakt mit ihnen. Auch sie sind sehr besorgt darüber.
Wenn ich mit den Staatschefs dieser Länder zusammentreffe, beginnen fast alle unsere Gespräche mit diesem Thema und ich unterrichte sie:
Wir sind ihnen dankbar, dass sie daran denken und nach Wegen suchen, diesen Konflikt zu lösen. Glauben Sie mir, auch wir wollen ihn so schnell wie möglich beenden, vorzugsweise friedlich, sowie wir eine Einigung erzielen können. Darum geht es!
M. Guzman: Vielen Dank, Wladimir Wladimirowitsch.
Sie kennen Irina Borisowna Akulowitsch gut, die ohne Übertreibung, unsere belarussische Schwesteragentur [BelTA – Belarussische Telegraphenagentur] leitet. Ich verstehe, dass es für sie nicht einfach ist, nachdem ihr Staatschef eine so anspruchsvolle, strenge und angesehene Person wie Alexander Lukaschenko abgibt, ist es nicht einfach, als Leiterin einer staatlichen Nachrichtenagentur zu arbeiten. Aber sie leistet hervorragende Arbeit und sie führt eine großartige Agentur und wir sind sehr enge Freunde.
Ich möchte ihr das Wort erteilen – bitte!

I. Akulovich: Vielen Dank für diese Einschätzung!
Wladimir Wladimirowitsch, zu Beginn Ihrer Rede sagten Sie, dass Sie gegen Kriege und Restriktionen sind. Diese Position gegen Kriege und Restriktionen gegen die Wirtschaft – wir sprechen hier über die Wirtschaft, Handelskriege und Sanktionen, ist bekannt. Der belarussische Staatschef teilt diese Position.
Nichtsdestoweniger haben wir das, was wir haben: Westliche Sanktionen gegen Russland und Belarus, die grundsätzlich dazu geführt haben, dass viele wirtschaftliche Beziehungen überdacht werden müssen. Dies hat jedoch zur Entstehung sehr interessanter und vielversprechender Projekte in Russland und Belarus geführt. Aber hat die Union zwischen Russland und Belarus einen „Plan B“ im Rahmen der EAWU [Eurasische Wirtschaftsunion] für den Fall, dass der Sanktionsdruck zunimmt, was wahrscheinlich scheint?
In nur zehn Tagen findet in Minsk das Eurasische Wirtschaftsforum statt und ich würde gerne Ihre Meinung zu dieser Organisation erfahren. Gibt es Chancen für eine Erweiterung?
W. Putin: Sehen Sie, zum „Plan B“: Zunächst gibt es den „Plan A“, der festlegt, was wir tun müssen, um unsere Beziehungen und unsere Volkswirtschaften weiterzuentwickeln. Dann gibt es den „Plan B“. Wenn etwas nicht funktioniert, schauen wir uns den „Plan A“ an – wir werden Erfolg haben – daran besteht kein Zweifel!
Das Handelsvolumen zwischen Russland und Belarus hat 50 Milliarden Dollar erreicht, was eine beachtliche Zahl darstellt. Dieses Wachstum hält an, auch dank der Zusammenarbeit. Wir suchen nach Möglichkeiten, unsere Beziehungen in verschiedenen Bereichen auszubauen, in denen wir bisher noch nicht zusammengearbeitet haben oder in denen wir seit der Zeit der Sowjetunion bereits in gewissem Umfang kooperierten, beispielsweise in der Mikroelektronik.
Hier kam Lukaschenko zum Zug: Viele haben ihn dafür kritisiert und verspottet, dass er eine sowjetisch geprägte Planwirtschaft aufrechterhält und in dieser Richtung ging. Erstens, war dies nicht der Fall, und zweitens hat Alexander Grigorjewitsch bestimmte Industriezweige erhalten, die heute mehr denn je gefragt sind, insbesondere angesichts strenger Sanktionen, darunter auch Unternehmen der Mikroelektronik. Ja, natürlich müssen wir ganz andere Zahlen realisieren. Es gibt noch viel zu tun. All dies wurde in anderen Ländern seit Jahrzehnten getan.
Aber wir haben die Möglichkeit, gemeinsam gute Fortschritte zu erzielen – zügige, kraftvolle und große Schritte zusammen in eine solche Richtung!
Wir haben Möglichkeiten zur Zusammenarbeit in der Flugzeugindustrie. In einigen Fällen könnte Belarus mit unserer Unterstützung in die Lage versetzt werden, kleine und einfache Flugzeuge selbst zu produzieren. In anderen Fällen könnte es sich an einer tieferen Zusammenarbeit zur Herstellung von Flugzeugen beteiligen, wobei die Endmontage in Russland stattfinden würde.
Im Bereich der Landmaschinen brauche ich nichts zu sagen, da alles bekannt ist. Die gegenseitige Zusammenarbeit bei der Montage in Russland erreicht, ich weiß den genauen Prozentsatz nicht mehr, aber weit über 50%. Auf andere Bereiche der Zusammenarbeit möchte ich nicht näher eingehen, da es zahlreiche Bereiche der Zusammenarbeit gibt.
Zur Logistik: Belarus ist bekanntlich einer der weltweit größten Lieferanten für Düngemitteln, aber fast alle Exporte werden derzeit über die Russische Föderation und ihre Häfen abgewickelt.
Wir haben Themen, über die wir ständig diskutieren und diese Diskussionen finden ununterbrochen, wirklich ununterbrochen, statt. Ich möchte jetzt nicht ins Detail gehen, aber letztendlich finden wir immer Lösungen, weil wir wirklich entschlossen sind, diese zu finden.
Ich bin zuversichtlich, dass dies so weitergehen wird.
Was die Eurasische Wirtschaftsunion betrifft, so ist sie in der Tat die am stärksten integrierte Vereinigung auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion und zwar nicht nur in Worten, sondern auch in der Praxis. Kasachstan war der Initiator der Eurasischen Wirtschaftsunion, wofür wir unseren Freunden dankbar sind und diese Struktur entwickelt sich weiter.
Ja, es ist nicht einfach. Ja, wir sind vielleicht noch nicht bereit, in einigen Bereichen der Energieversorgung vollständig einheitliche Märkte zu schaffen, aber wir bewegen uns in diese Richtung. Wir werden dieses Ziel irgendwann erreichen. Daran besteht kein Zweifel. Es ist eine Frage der Zeit, des Tempos und dergleichen.
Sie wissen sicher von unseren ständigen Diskussionen bezüglich Energieversorgung. Wir finden hier Lösungen. Manchmal finden wir sehr originelle Lösungen – ich möchte jetzt nicht ins Detail gehen und werde nicht öffentlich darüber sprechen –, aber wir finden sie. Ich bin zuversichtlich, dass wir das auch künftig schaffen werden.
Ich bin sehr optimistisch, was die Zusammenarbeit innerhalb der Eurasischen Wirtschaftsunion sowie die bilaterale Zusammenarbeit einschließlich des Aufbaus des Unionsstaates angeht.
Wir haben in den letzten Jahren viel erreicht. Ich erinnere mich nicht mehr an den genauen Prozentsatz, aber wir haben einen sehr hohen Prozentsatz erreicht und unsere Pläne fast vollständig umgesetzt.
Sie wissen, dass wir im Bereich Zoll- sowie Steuerstatistik sehr wichtige Aufgaben zu bewältigen haben. Steuern und Zölle sind grundlegende Voraussetzungen für die Schaffung von Bedingungen für eine weitere wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Wird fortgesetzt – Teil 3 folgt
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Teil I erschien: HIER
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