Ein Professor der renommierten US-Universität Columbia sieht die Gefahr der weiteren Eskalation in Nahost. Seymour Hersh erklärte dazu, ein massiverer US-Schlag soll schon bald erfolgen.

Weltkriegsgefahr durch „Nahost-Eskalation“

In ungewohnte Deutlichkeit warnt der US-amerikanische Ökonom und Spitzendiplomat Jeffrey Sachs vor einer akuten Weltkriegsgefahr, wie auch die Berliner Zeitung berichtet hatte.

Von Deutschland fordert er, keine markigen Sprüche zu klopfen sondern diplomatische Initiativen anzustoßen, so lange dies noch möglich sei.

Der US-Journalist Seymour Hersh hingegen erwartet einen gewaltigen US-Schlag inklusive Umsturz-Szenario in Bälde. Der israelische Angriff auf den Iran war ja bekanntlich zwei Tage vor einer Verhandlungsrunde mit den Amerikanern erfolgt.

Die Berliner Zeitung stellt hierzu die Frage an Jeffrey Sachs, wer augenblicklich die US-Außenpolitik bestimmen würde. „Die US-Außenpolitik im Nahen Osten und oft auch darüber hinaus wird typischerweise von der engen Zusammenarbeit von CIA und Mossad bestimmt. Das ist wahrscheinlich auch heute noch so“.

Trump zuzuhören ist ziemlich beängstigend – verliert er die Kontrolle, spricht er im Namen anderer oder bellt er nur?

„Das liegt zum Teil an Trumps Stil. Doch die jüngste Hinwendung zu Netanjahu und gegen Trumps eigene Basis spiegelt den US-amerikanischen „Deep State“, der CIA und anderer Geheimdienste  plus Mossad wider“.

Im Grunde sagen die Amerikaner, „tut, was wir wollen, oder wir bringen euch um“. Ist das eine neue diplomatische Vorgehensweise oder nur eine Episode?

„Der Mossad ist eine Mordmaschine. Das ist der israelische Ansatz. Netanjahus Ansatz besteht seit dreißig Jahren darin, gegen jeden Staat Krieg zu führen, der die palästinensische Sache unterstützt. Die Kriege im Irak, Libanon, Syrien, Afghanistan, Libyen, Somalia, Sudan, Palästina und jetzt im Iran sind alle, wenn auch nicht vollständig verursacht, durch die Kombination von Mossad, CIA, Netanjahu und den neokonservativen US-Politikern miteinander verbunden“.

Kann man eine Weltmacht im Mafia-Stil regieren?

„Einige Verrückte haben es sicherlich versucht. Meistens hat es einen Weltkrieg heraufbeschworen. Wir stehen kurz vor einem Weltkrieg“.

Es ist nicht nur Trump, wenn man Lindsey Graham oder Ted Cruz zuhört, klingt die Tonart ziemlich ähnlich. Bewegen wir uns auf ein faschistisches Regime in Washington zu?

„Die USA sind bereits ein Militär- und Sicherheitsstaat, wenn es um Außen- und Militärpolitik geht. Außen- und Militärpolitik werden im Geheimen betrieben, Diplomatie existiert nicht, und die öffentliche Meinung spielt keine Rolle. Regimewechsel ist die grundlegende Strategie und Taktik der USA und das schon seit Jahrzehnten“.

Sieht niemand in der US-Regierung die Folgen eines US-Kriegseintritts?

„Viele Insider sind tatsächlich zutiefst alarmiert und bestürzt über die Ereignisse der letzten Tage. Echte Insider der Regierung sind verärgert und überrascht“.

Was ist mit Tulsi Gabbard? Ist sie auch eine Kriegstreiberin?

„Nein, im Gegenteil. Sie ist für Frieden und Diplomatie. Aber Trump sagte kürzlich, dass ihm ihre Meinung egal sei!“

Gibt es aus US-Sicht einen Zusammenhang zwischen dem Iran und der Ukraine?

„Höchstwahrscheinlich waren sowohl der jüngste ukrainische Angriff auf Russlands strategische Bomber als auch der neue israelische Angriff auf Irans strategische Anlagen mit Operationen des Mossad verbunden“.

„Ich glaube, Trump will den Krieg in der Ukraine beenden, indem er Russlands legitime Sicherheitsbedenken anerkennt, insbesondere das Ende der NATO-Erweiterung. Ob Trump sich aus dem Griff des Mossad und der CIA befreien kann, um einen Staat Palästina anzuerkennen und einen Krieg mit dem Iran zu vermeiden, ist nun die große Frage“.

Wer treibt den Konflikt im Nahen Osten voran, Bibi Netanjahu oder die Neokonservativen, die die globale Agenda gegen China verfolgen?

„Bibi und seine neokonservativen US-Kollegen bestimmen die politische Agenda bereits seit 30 Jahren. Der Krieg gegen den Iran wurde von Netanjahu seit 30 Jahren wiederholt vorgeschlagen. Alle anderen von Netanjahu vorgeschlagenen Kriege – Libanon, Syrien, Irak, Libyen, Sudan, Somalia, Palästina – wurden bereits geführt, sodass der Iran auf der Liste ganz unten steht. Natürlich haben Bibis Kriege ins Unglück geführt, nicht zu Lösungen“.

Nur wenige Tage vor dem israelischen Angriff eröffnete China eine neue Zugstrecke nach Teheran, war der Zeitpunkt des Angriffs ein Zufall?

„Wahrscheinlich ein Zufall“.

Welche Rolle spielt es, dass Bibi nach den Massenprotesten vor einigen Jahren sein eigenes Volk hasst? Ist er bereit, das israelische Volk zu opfern?

„Er ist ein Fanatiker, sowohl in Bezug auf seine persönliche Macht als auch in seinem Selbstbild als Retter Israels. Fanatismus ist kein Erfolgsrezept, nicht einmal zum Überleben. Netanjahu hat eine miserable Bilanz und hat dem Nahen Osten immensen Schaden zugefügt“.

Wohin könnte eine Eskalation zwischen Israel und dem Iran führen?

„Sie könnte zum Dritten Weltkrieg führen“.

Pakistan, eine Atommacht, hat mit Vergeltungsschlägen gegen Israel gedroht. Könnte das passieren?

„Natürlich ist alles möglich. Es hängt alles vom Lauf der Dinge ab. Wir wissen, dass Länder im Laufe der Geschichte selbstzerstörerische Kriege geführt haben. Der Unterschied liegt heute in der allgegenwärtigen Präsenz von Atomwaffen. Es wäre besser, keine Kriege zu führen“.

Können Russland, China und die BRICS-Staaten abwarten und dann versuchen, die Weltordnung neu zu gestalten?

„Niemand sollte warten. Jeder sollte jetzt dringend Diplomatie einsetzen, um eine Katastrophe zu verhindern“.

Erstens, die USA, nicht der Iran, haben das JCPOA (das Abkommen, mit dem der Iran sich auf den Verzicht von Atomwaffen verpflichtet gekündigt. Zweitens versprachen die USA (und Deutschland) der sowjetischen und russischen Führung im Gegenzug für die deutsche Wiedervereinigung keine NATO-Erweiterung. Dann brachen die USA und Deutschland vorsätzlich ihr Versprechen. Drittens wusste Deutschland (insbesondere Bundeskanzlerin Merkel) auf dem NATO-Gipfel 2008 in Bukarest, dass die Einladung der Ukraine und Georgiens in die NATO rücksichtslos und destabilisierend wäre, fügte sich aber stillschweigend der US-Forderung. Viertens verschworen sich die USA im Februar 2014 zum Sturz von Präsident Wiktor Janukowitsch und lösten damit den Ukraine-Krieg aus. Fünftens gab Deutschland seine Verantwortung zur Verteidigung des Minsk-II-Abkommens im Normandie-Rahmen auf, als die USA Deutschland aufforderten, Minsk II zu ignorieren. Sechstens sprengten die USA die Nord Stream-Pipeline, nachdem sie wiederholt versprochen hatten, die Pipeline zu beenden, unter anderem durch Biden in einer Pressekonferenz am 7. Februar 2022 in Anwesenheit von Bundeskanzler Scholz. Siebtens veranlassten die USA im April 2022 den Abbruch eines fast abgeschlossenen Friedensabkommens zwischen Russland und der Ukraine. Achtens begehen Israel und die USA in Gaza einen regelrechten Völkermord. Neuntens, Israel und die USA erledigen nicht die „Drecksarbeit“ Deutschlands, sondern bringen die Welt in Wahrheit einem Atomkrieg näher, ein eklatanter und vulgärer Verstoß gegen die UN-Charta“.

Wo sehen Sie die deutschen Optionen heute? Könnte Deutschland noch als ehrlicher Makler auftreten?

„Deutschland ist kein Makler. Es ist Teil der NATO. Aber es kann und sollte ehrlich sein. Ehrlichkeit würde bedeuten, dass Bundeskanzler Merz zum Telefon greift, Präsident Putin anruft und über eine echte, ehrliche und von gegenseitigem Respekt geprägte Sicherheitsvereinbarung in Europa spricht, die ein Ende der NATO-Erweiterung, ein Ende der NATO-Truppen und -Operationen (einschließlich der Taurus-Raketen) in der Ukraine sowie die Rückkehr zu einem Rahmen für nukleare Rüstungskontrolle umfasst“.

Merz‘ neuer Außenminister hat gesagt: „Russland war schon immer der Feind Deutschlands.“ Was sagen Sie dazu?

„Das klingt wie eine Aussage aus der schrecklichen Vergangenheit“.

Was steht für Deutschland und Europa auf dem Spiel? Politisch und wirtschaftlich?

„Entweder lernt Europa Diplomatie neu, oder Europas Zukunft wird düster sein“.

Was ist der Grund dafür, dass alle EU-Staats- und Regierungschefs im Grunde oft abhängig sind und oftmals nicht im Interesse ihrer Wähler handeln?

„Die USA und die Geheimdienste haben die politischen Systeme Europas lange Zeit geprägt. „Inakzeptable“ Kandidaten wurden blockiert. US-freundliche Politiker wurden mit Geld, Zuschüssen, Stipendien und Beförderungen unterstützt. Dennoch ist alles in den letzten Jahren viel schlimmer geworden. Deutschland hatte in der Vergangenheit viele hervorragende Kanzler, die auch über die USA ehrlich sprechen konnten und wollten und sich nach Frieden auf dem Kontinent sehnten“.

Kann diese Entwicklung die EU in die Luft sprengen?

„Die Europäische Kommission ist in einem desolaten Zustand. Von der Leyen und ihre Kollegen haben dazu beigetragen, die EU-Kommission auf einen bemerkenswerten Tiefpunkt zu bringen, doch leider haben Scholz, Macron und andere nichts getan, um den Niedergang der EU in der öffentlichen Wahrnehmung aufzuhalten“.

Wenn ich Sie in den letzten Tagen beobachte, scheinen Sie äußerst besorgt über die Situation zu sein. Sehen Sie überhaupt eine Chance auf eine friedliche Lösung oder ist die Diplomatie tot?

„Diplomatie ist immer möglich, selbst in dunklen Zeiten wie diesen. Dies erfordert praktische Weisheit. Erinnern Sie sich an die Worte von Präsident John F. Kennedy in seiner großen Friedensrede vom 10. Juni 1963“:

„Lassen Sie uns unsere Haltung zum Frieden selbst überprüfen. Zu viele von uns halten ihn für unmöglich. Zu viele halten ihn für unrealistisch. Doch das ist ein gefährlicher, defätistischer Glaube. Er führt zu dem Schluss, dass Krieg unvermeidlich ist – dass die Menschheit dem Untergang geweiht ist – dass wir von Kräften beherrscht werden, die wir nicht kontrollieren können. Wir müssen diese Ansicht nicht akzeptieren. Unsere Probleme sind menschengemacht – daher können sie auch vom Menschen gelöst werden. Und der Mensch kann so groß sein, wie er will. Kein Problem des menschlichen Schicksals übersteigt die menschliche Beherrschung. Die menschliche Vernunft und der menschliche Geist haben schon oft scheinbar Unlösbares gelöst – und wir glauben, dass sie es wieder tun können.“

Jeffrey Sachs, geboren 1954 in Detroit, Michigan, USA; ist ein renommierter Entwicklungsökonom und Leiter des Zentrums für nachhaltige Entwicklung an der Columbia University. Er hat weltweit Regierungen beraten, unter anderem in Lateinamerika oder im postkommunistischen Polen und Russland, wo er half, marktwirtschaftliche Reformen durchzuführen.

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