Der EU-Abgeordnete Dr. Alexander Sell (AfD) über den Missbrauch des EuGH durch grüne bzw. linke Politik und die nötige Reform des EGMR.
„Die Wähler wollen die Migrationswende, aber die Justiz verhindert das“
Frage: Kürzlich hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit einem Urteil zu sicheren Herkunftsländern beschleunigte Asylverfahrt deutlicher erschwert. Wie sehen Sie dieses Urteil?
Alexander Sell: Aus unserer Sicht ist das ein weiterer Eingriff in die Souveränität der Mitgliedstaaten der unzulässig und natürlich auch ein fatales Zeichen ist, insbesondere da die Rückführung abgelehnter Asylwerber erschwert wird. Die Gewaltenteilung in Europa sehen wir insgesamt bedroht, wie zum Beispiel der Streit in Deutschland über die Besetzung des Verfassungsgerichts exemplarisch veranschaulicht. Dies zeigt, wie der Verfassungsgerichtshof und auch der europäische Gerichtshof instrumentalisiert werden für eine linke Agenda – und das müssen wir verhindern. Deswegen bin ich auch auf der Seite von Georgia Meloni, die gesagt hat, dass diese Entscheidung nicht in den Zuständigkeitsbereich des EuGH fällt.
Frage: Wenn man sich die Rechtsprechung des EuGH anschaut, fällt auf, dass er in den meisten Fällen dem Standpunkt der EU-Kommission folgt. Das betrifft insbesondere Verfahren mit politischer Brisanz. Zum Beispiel entschied der EuGH, dass die polnische Justizreform gegen Unionsrecht verstoße, und im Jahr 2024 verurteilte er Ungarn zu 200 Millionen Euro und einem täglichen Zwangsgeld in der Höhe von einer Million Euro wegen angeblicher Verstöße gegen das EU-Asylrecht? Ist der EuGH ein Disziplinierungsinstrument gegen Mitgliedstaaten, die Wert auf die Wahrung ihrer nationalstaatlichen Souveränität legen?
Sell: Ja, das kann man so sehen! Man muss sich auch einmal vor Augen führen, dass die eigentliche Aufgabe eines Verfassungsgerichts, die Kontrolle der Exekutive – und in dem Fall ist die Exekutive die EU-Kommission – ist.
Also der EuGH wäre besser beraten, die EU-Kommission zu kontrollieren, als die einzelnen Mitgliedstaaten zu disziplinieren. Aus unserer Sicht ist das eine Verletzung der Gewaltenteilung und eine sehr bedenkliche Entwicklung, die nicht nur auf der europäischen Ebene, sondern auch auf der nationalstaatlichen Ebene, stattfindet.
Noch ein Wort zu den Rückführungen: wir hatten im vergangenen Jahr in Deutschland 350.000 Erstanträge, dazu kommen noch 120.000 Einwanderer über den Familiennachzug – macht in Summe 470.000 Migranten allein im vergangenen Jahr. Das wurde noch als Rückgang der Asylbewerberquote gefeiert. Der EuGH, mit seinem Urteil bezüglich der sicheren Drittstaaten, erschwert die Rückführung der abgelehnten Asylbewerber und agiert damit völlig am Wählerwillen vorbei. Überall in Europa wählen die Bürger Nationalkonservative Parteien, die AfD in Deutschland, die FPÖ in Österreich, das Rassemblement National in Frankreich, Georgia Meloni in Italien. Die Wähler wollen die Migrationswende, und die Justiz verhindert das und stellt sich damit gegen den Wählerwillen und damit gegen den eigentlichen Souverän.
Es wäre erst einmal angebracht, dass der EuGH die bestehenden Verträge überhaupt einhält.
Frage: Wie sehen Sie die Rolle des EuGH hinsichtlich der Zentralisierungsbestrebungen der EU?
Sell: Der EuGH flankiert diese Zentralisierungsbestrebungen, dafür ist auch dieses Urteil wieder ein Beweis, weil er die Entscheidungsbefugnisse der Nationalstaaten über zentrale Belange zu entziehen hilft. Insofern unterstützt der EuGH die Zentralisierungsbestrebungen die von der Kommission ausgehen, und das sehen wir kritisch.
Frage: Sehen sie Änderungsbedarf bei den Verträgen hinsichtlich der Rolle des EuGH und, falls ja, welche?
Sell: Also ich denke nicht, dass da Änderungen notwendig sind. Es wäre erstmal angebracht, die bestehenden Verträge überhaupt einzuhalten.
Denn es ist nicht Aufgabe des EuGH zu entscheiden, welche Drittstaaten die Mitgliedstaaten für sichere Herkunftsländer halten.
Frage: Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ist zwar kein Gericht, aber dennoch haben seine Urteile häufig weitreichende Auswirkungen, z. B. im Asylrecht. Wie beurteilen Sie den EMGR?
Sell: Aus unserer Sicht ist es die Aufgabe von uns Politikern, also für mich als deutscher Politiker, zunächst mal die Interessen der eigenen Bürger zu vertreten. Insofern sehe ich das kritisch, wenn ein EU-Organ mir als national gewählten und demokratisch legitimierten Politiker vorschreiben möchte, wie ich die Menschenrechte – in dem Fall ging es um Migranten aus Bangladesch – höher bewerten muss als die Interessen meiner eigenen Bürger. Und ja, insofern denke ich, dass wir in Europa sehen, dass der Wähler einen Realpolitikwechsel möchte, hin zu einer restriktiven Migrationspolitik.
Entscheidend ist, was der Wähler möchte, der Souverän in Europa, und wir müssen diesem Wählerwillen Rechnung tragen. Wenn die europäischen Gerichte sich dem entgegenstellten, dann ist das zwar „interessant“, aber letztlich müssen wir da das Interesse der eigenen Leute vor das Interesse von Zuwanderern aus aller Welt stellen.
Die europäische Menschenrechtskonvention muss vor dem Hintergrund der Massenzuwanderung reformiert werden.
Ist es nicht demokratiepolitisch bedenklich, wenn Gerichte wie der EuGH und der EMGR de facto als Gesetzgeber auftreten? Schließlich sollen wichtige Entscheidungen ja von den gewählten Volksvertretern und nicht von ernannten Richtern getroffen werden.
Sell: Genau das ist es ja, was wir überall in Europas Mitgliedsstaaten sehen: die Linken und die Grünen, die zunehmend bei den Wahlen verlieren, versuchen nun, ihre Politik durchzusetzen, indem sie sich auf die Gerichte verlassen. Deswegen ist die Ernennung der Richter, wie gerade auch in Deutschland geschehen, so wichtig, um eben ihre Politik über das Verfassungsgericht oder auch über die europäischen Gerichte durchzusetzen.
Und das ist ein Missbrauch der Gewaltenteilung, den wir sehen. Es ist nicht die Aufgabe der Gerichte, linke Politik durchzusetzen, sondern die Aufgabe der Justiz, die Exekutive zu kontrollieren. Genau da sehen wir aber die gefährliche Entwicklung, dass eben die Justiz von der Linken politisch instrumentalisiert wird.
Frage: Wiederholt wurde eine Änderung der europäischen Menschenrechtskonvention beziehungsweise ihre Anpassung an die heutigen Verhältnisse gefordert. Sehen Sie auch Reformbedarf?
Sell: Die europäische Menschenrechtskonvention muss vor dem Hintergrund dieser Massenzuwanderung, die wir haben, reformiert werden. Ursprünglich bezog sich diese ja auf die Fluchtbewegungen nach dem Ende des 2. Weltkriegs, welche innereuropäische waren.
Wir sind momentan aber mit einer globalen Migrationsbewegung konfrontiert. Wenn man sich die Zahlen anschaut – ich habe es bereits zuvor gesagt, Deutschland hat im vergangenen Jahr wieder 470.000 Zuwanderer aufgenommen – ist es einfach nicht zu bewältigen. Wenn dem die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entgegengesteht, dann müssen wir diese Regulierungen reformieren.
Es geht um die Überlebensfähigkeit unseres Sozialstaats und auch um den Zusammenhalt unserer Gesellschaften – die Interessen der Europäer stehen höher als die Interessen der Zuwanderer, die häufig nur aus wirtschaftlichen Gründen kommen.
***
Das Gespräch führte Bernhard Tomaschitz.
Dieser Beitrag erschien auf zurzeit.at, unserem Partner in der EUROPÄISCHEN MEDIENKOOPERATION
Hier die Teile 1 und 2:
- Richterstaat Teil 2: Internationaler Gerichtshof will Klima-Knebel für die Industrie
- Richterstaat im Vormarsch: EuGH stellt für Abschiebungen neue Hürden auf
UNSER MITTELEUROPA erscheint ohne lästige und automatisierte Werbung innerhalb der Artikel, die teilweise das Lesen erschwert. Falls Sie das zu schätzen wissen, sind wir für eine Unterstützung unseres Projektes dankbar. Details zu Spenden (PayPal oder Banküberweisung) hier.