Ein erneuter Tiefschlag für die ehemalige Kolonialmacht Frankreich auf afrikanischem Boden. Nach den „abtrünnigen“ westafrikanischen Staaten wurde nunmehr am 14. Oktober auch in Madagaskar geputscht.

Jugendrevolte endete im Putsch

Seit Wochen ging die madegassische Jugend gegen Präsident Andry Rajoelina auf die Straße, am 14. Oktober putschte schließlich das Militär. Fraglos mischt sich auch Frankreich als ehemalige Kolonialmacht nun ein.

Madagaskars Armee hatte dem zunehmend „frankreichfreundlichen“ Andry Rajoelina einst zum Staatspräsidenten, Madagaskars gemacht, nun hat ihm eben diese Armee das Amt wieder genommen. Mit nur 34 Jahren wurde Rajoelina im Jahr 2009 zum ersten Mal an die Staatsspitze befördert, dies als Ergebnis mehrmonatiger Wirren und eines Militärputsches. Der damalige Bürgermeister der Hauptstadt Antananarivo wusste schon damals, wie man sich des Schutzes Frankreichs versichert. Er empfing Diplomaten in seiner Residenz, bat den französischen Botschafter um ein vertrauliches Gespräch in dessen Dienstwagen und als er dann dort Platz genommen hatte, weigerte er sich, offenbar ganz nach „afrikanischer Tradition“, wieder auszusteigen.

Frankreich evakuiert den unliebsamen Präsidenten

Wie Rajoelina es diesmal geschafft hatte, ist noch unklar, aber am Sonntagnachmittag jedoch, so die Berichte französischer Medien, hatte er auf dem Gelände des Präsidentschaftspalastes einen französischen Militärhubschrauber, hatte sich auf eine kleine Insel fliegen lassen um schließlich mit der französischen Luftwaffe nach Réunion gebracht zu werden, von wo aus er nach Dubai ins Exil weitergeflogen sein soll.

Der mittlerweile 51-jährige Rajoelina, Sohn eines madegassischen Obersts der französischen Kolonialarmee in Algerien, wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf, wurde aber in jungen Jahren zum erfolgreichen Unternehmer, was in Madagaskar nur mit guten politischen Beziehungen möglich ist. In seinem Fall war das die Familie des Langzeitdiktators Didier Ratsiraka, den Frankreich jahrelangunterstützt hatte, bis er schließlich ähnlich wie Rajoelina jetzt, 2002 außer Landes gebracht worden war.

Neuer Präsident wurde daraufhin Marc Ravalomanana, Großunternehmer, Hauptstadtbürgermeister und Führungsfigur einer damaligen Jugendrevolte. In ähnlicher Kombination nahm danach Rajoelina dessen Rolle ein, als Besitzer eines TV-Senders, Bürgermeister der Hauptstadt und Führer der Partei TGV (Tanora Gasy Vonona  Entschlossene junge Madegassen). Die Partei nutzt nicht zufällig die Abkürzung des französischen Hochgeschwindigkeitszuges. „Ich bin weder Regierung noch Opposition, ich bin Kapitalist“ erklärte der jungdynamische Rajoelina damals vollmundig.

Als er 2019 zum zweiten Mal Präsident geworden war, war er jedoch keineswegs mehr jungdynamisch, sondern zunehmend verschroben. Während der Covid-19-Pandemie ließ er einen selbstentwickelten Anti-Corona-Kräutertee vom Militär verteilen, für Schüler sogar verpflichtend. Der massiv entwaldete Süden der Insel ist mittlerweile von Dürre und Hunger geplagt.

Französischer Pass war offenbar nützlich

Beinahe hätte Rajoelina 2023 nicht zur Wiederwahl antreten können, da seine Gegner damals herausgefunden hatten, dass er seit 2014 einen französischen Pass besitzt. Die französische Staatsbürgerschaft habe er von seinem Vater geerbt, erklärte der Präsident und kam damit offenbar durch. Sein französischer Pass ist ihm zweifellos auch jetzt von großem Nutzen gewesen, denn so hatte Frankreich mit seiner Person eben lediglich einen bedrängten Landsmann evakuiert.

Seit Wochen geht Madagaskars Jugend gegen Rajoelina auf die Straße, weil die Versorgung mit Wasser und Strom immer schlechter wird, so wie sie einst mit Rajoelina an der Spitze gegen Ravalomanana auf die Straße gegangen war.

Nach seiner Flucht hat sich Rajoelina, wie oftmals bei Entmachteten vor allem im afrikanischen Raum, zu beobachten ist, in einer wirren Ansprache an sein Volk gewandt. Er sei einem Mordversuch entronnen, wolle jetzt Generatoren zur Stromversorgung kaufen und müsse im Amt bleiben, denn sonst seien 100 Millionen US-Dollar Budgethilfe verloren.

„Gott schütze uns und gebe uns Klugheit, um aus dieser Lage herauszukommen“, schloss er seine Ausführungen. Mit „uns“ hatte er wohl zweifelsfrei sich selbst gemeint, den am Nachmittag des 14. Oktober hatte Madagaskars Militär Rajoelinas Absetzung öffentlich verlautbart.


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