Von MEINRAD MÜLLER | Die Demokratie lebt davon, dass Menschen ihre Meinung öffentlich äußern und sich versammeln können. Doch genau diese Grundrechte könnten in Deutschland bald auf dem Spiel stehen. Parteien, Vereine und Organisationen sehen sich zunehmend gezwungen, Veranstaltungen zu überdenken – aus Angst vor unkalkulierbaren Kosten für Polizeimaßnahmen, die sie in den Ruin treiben könnten.
Der Grund dafür liegt in einem aktuellen Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Im Fall des Nordderbys zwischen Werder Bremen und dem HSV entschied das Gericht, dass der Fußballverband für die Kosten eines Polizeieinsatzes aufzukommen hat. Die Stadt Bremen stellte der Deutschen Fußball-Liga 425.000 Euro für den Polizeieinsatz in Rechnung – und das Gericht gab Bremen recht. In der Begründung des ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Stephan Harbarth heißt es (1 BvR 548/22):
„Die Verfassung kennt keinen allgemeinen Grundsatz, nach dem die polizeiliche Sicherheitsvorsorge durchgängig kostenfrei zur Verfügung gestellt werden muss. Sie ist keine allgemeine staatliche Tätigkeit, die zwingend ausschließlich aus dem Steueraufkommen zu finanzieren ist.“
Das Urteil ist unanfechtbar und könnte weitreichende Folgen haben. Was heute den Profifußball betrifft, könnte morgen die gesamte demokratische Kultur in Deutschland gefährden.
Wenn Chaoten dem Veranstalter Kosten verursachen
Das Problem: Radikale Gruppen könnten gezielt Demos anmelden, um die Größe des Polizeieinsatzes in die Höhe zu treiben. Straßenschlachten würden gezielt eingesetzt, um hohe Sicherheitskosten zu verursachen. Wer würde am Ende künftig die Rechnung zahlen? Nicht die Verursacher des Chaos, sondern diejenigen, die die Veranstaltung friedlich durchführen wollten.
Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit (Art. 5 und 8 GG) sind die Grundpfeiler unserer Demokratie. Doch dieses Urteil stellt sie unter finanziellen Vorbehalt. Besonders kleinere Parteien, Bürgerinitiativen oder Vereine könnten sich öffentliche Veranstaltungen nicht mehr leisten, wenn sie für Proteste und deren Folgen haften müssen.
Das ist kein theoretisches Problem. Wenn nun eine Partei wie die AfD oder eine Initiative zur Coronaaufarbeitung zu einem Vortrag einlädt, dann kommen 50 Teilnehmer, aber 500 (nicht selten gewaltbereite) Gegendemonstranten. Die Polizei müsste mit einem Großaufgebot anrücken, Straßen blockieren oder umleiten, um für Sicherheit zu sorgen. Die Rechnung? Diese landete womöglich beim Veranstalter, obwohl dieser nichts für die Eskalation kann. Damit wird das demokratische Grundrecht auf öffentliche Meinungsäußerung verhindert.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts öffnet theoretisch die Büchse der Pandora. Es gibt radikalen Gruppen die Möglichkeit, ihre politischen Gegner mit gezielten Eskalationen finanziell zu schädigen. Doch Sicherheit ist eine staatliche Aufgabe, finanziert aus Steuergeldern. Sie darf keine Ware sein. Wenn dieses Prinzip aufgeweicht wird, riskieren wir, dass die öffentliche Meinungsvielfalt verschwindet – und mit ihr die Grundlage unserer Demokratie.

Meinrad Müller (70), Unternehmer im Ruhestand, kommentiert mit einem zwinkernden Auge Themen der Innen-, Wirtschafts- und Außenpolitik für diverse Blogs in Deutschland. Der gebürtige Bayer greift vor allem Themen auf, die in der Mainstreampresse nicht erwähnt werden. Seine humorvollen und satirischen Taschenbücher sind auf Amazon zu finden. Müllers bisherige Beiträge auf PI-NEWS gibt es hier, seinen Ratgeber für Hobbyautoren hier.
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