Von Alexej Danckwardt

RT DE liegen exklusiv Auszüge aus dem Bescheid des Landesamtes für Einwanderung des Landes Berlin vor, mit dem dem Reporter des russischen Fernsehsenders Perwy Kanal Iwan Blagoi die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis für Deutschland verweigert, er zur Ausreise aufgefordert und ihm die zwangsweise Abschiebung angedroht wird.

Die Versagung der Aufenthaltserlaubnis erfolgt ausdrücklich wegen der journalistischen Tätigkeit Blagois. Wörtliches Zitat aus dem Bescheid, die Schreibweise des Originals wurden hier und im Folgenden beibehalten:

„Channel One Russia (Der erste Kanal ‚Pervyj Kanal‘) versteht sich als der Haupt-TV-Sender in Russland, und dessen Hauptnachrichtenprogramm ‚Vremya‘ ist ein Nachfolger des Nachrichtenprogramms ‚Vremya‘ des sowjetischen Fernsehkanals Programme One. Als zentrales staatlich kontrolliertes Fernsehen aus der Sowjetzeit genießt die Nachrichtensendung ‚Vremya‘ aufgrund der unveränderten, vertrauten Art der Ausstrahlung und Präsentation der Nachrichten weiterhin großes Vertrauen bei Migranten aus der ehemaligen Sowjetunion. Channel One Russia reagiert auf Sanktionen seitens der Europäischen Union schon seit 2014 mit einer Verunglimpfung ‚des Westens‘. So propagierten die russischen Medien eine ‚Dekadenz des Westens‘ und den wirtschaftlichen Niedergang Europas.“

Würden die Europäer etwa ohne das russische (und russischsprachige) Fernsehen selbst nicht merken, wie es um Europa, die Deutschen nicht, wie es um Deutschland bestellt ist?

Die große Furcht der hinter dieser präzedenzlosen Entscheidung stehenden Politiker und Beamten ist es, dass die russischsprachige Diaspora in Deutschland erwacht, dass sie bei ihr über kein exklusives Propagandamonopol verfügen, um sie zu kontrollieren:

„Dieses Narrativ und andere rechtsextreme Narrative verfestigten sich bei vielen russischsprachigen Menschen, dies verursacht Misstrauen gegenüber den Strukturen des deutschen Staates und der Europäischen Union und beeinflusst auch rechtsradikale Gruppen in Deutschland. Desinformation ist aus sicherheitspolitischer Sicht als hybriden Bedrohungen zuzuordnen, die das Vertrauen in demokratische Institutionen untergräbt.“

„Rechtsextremes Narrativ“? Muss man wirklich rechtsextrem sein, um zu merken, dass etwas gewaltig schiefläuft in Deutschland und Europa? Ist es „rechtsextrem“, sich gegen die auf ethnischen und sprachlich-kulturellen Merkmalen beruhende Unterdrückung, Diskriminierung und schleichende Vernichtung von Russen und Russischsprachigen in der Ukraine zu wehren? Ist es „rechtsextrem“, wenn man auf die zahlreichen Denkmäler und Straßennamen zu Ehren von Hitlers Schergen und auf den Abriss der Denkmäler für sowjetische Soldaten hinweist, die im Zweiten Weltkrieg gegen Hitler kämpfend fielen?

Und „Desinformation“? Wir warten seit Jahren darauf, dass uns und anderen russischen Medien wenigstens eine bewusste Falschinformation nachgewiesen wird. Kann Wahrheit „Desinformation“ sein? Im Verständnis deutscher und Berliner Beamter offenbar schon. Jedenfalls findet sich auch im besagten Bescheid kein einziger Nachweis, kein einziges Beispiel für unwahre Berichterstattung.

Im Bescheid heißt es weiter:

„Channel One Russia ist weiterhin im Internet abrufbar, wird in Telegrammkanälen verbreitet und beeinflusst mittels Propaganda und Desinformation weiterhin auch die russischsprachige Bevölkerung in Deutschland als Instrument der Kriegspropaganda, die die militärische Intervention Russlands in der Ukraine rechtfertige, den Hass gegenüber Ukrainern schürt und die Verteidiger der ukrainischen Demokratie mit Nazis gleichstellt, indem die Botschaft verbreitet wird, dass diese Verteidiger, wenn sie an der Macht wären, die von den Nazis verübten Verbrechen wiederholen würden.“

Kein russischer Sender, auch der Perwy Kanal nicht, hat jemals Hass auf Ukrainer geschürt. Im Gegenteil, nur in russischen Medien haben Millionen Ukrainer, die gegen das derzeit in Kiew herrschende Regime sind, gegen den 2014 von Anhängern des Euromaidan vom Zaun gebrochenen Bürgerkrieg, gegen den Westkurs ihrer Machthaber, gegen den die Stimmung im Land vergiftenden russophoben und Bandera ehrenden Nationalismus, noch eine Stimme. RT DE beispielsweise lässt Ukrainer wie Tatjana Montjan und Oleg Jassinski regelmäßig zu Wort kommen, im eigenen Land haben sie keine Plattform mehr und ist ihr Leben bedroht.

Auch ist es ein merkwürdiges Verständnis von Demokratie, wenn die Verfasser des Bescheids tatsächlich meinen, sie sei es, die Wladimir Selenskijs Truppen verteidigten. Ist es Demokratie, wenn 73 Prozent des Volkes Poroschenko und dessen West- und Kriegskurs, dessen Politik der Unterdrückung der russischen Sprache und der Verfolgung der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche klar und deutlich abwählen, aber mit Selenskij entgegen dessen Vorwahlreden einen Poroschenko im Quadrat bekommen? Das, was in der Ukraine 2019 geschehen ist, verdient eher die Bezeichnung „groß angelegter Betrug“ denn „Demokratie“.

Ist es Demokratie, wenn alle Oppositionssender des Antimaidan-Spektrums – noch lange vor der „russischen militärischen Intervention“ – verboten und abgeschaltet werden, kurze Zeit später auch alle Parteien des Antimaidan-Spektrums? Ist es Demokratie, wenn Andersdenkende zu Tausenden für ihre Meinung im Gefängnis sitzen und vom Geheimdienst SBU gefoltert werden? Wenn selbst das Posten eines Marx-Zitats einem eine Freiheitsstrafe einbringt? 

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Wo sind eigentlich die längst überfälligen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in der Ukraine? Demokratie ganz ohne Wahlen, sogar ohne die betrügerischen, polittechnologisch manipulierten?

Wenn das alles zum Demokratie-Bild deutscher Landes- und Bundesbeamter passt, dann muss man sich hierzulande auch über nichts mehr wundern.

Nochmals wird im Bescheid betont, dass die Versagung des weiteren Aufenthalts für den russischen Journalisten nur auf dessen beruflicher Tätigkeit beruht:

„Aufgrund der Tatsache, dass weiterhin nachweislich Falschinformationen und manipulierende Desinformationen der zuvor beschriebenen Medien mit dem Ziel vorangetrieben werden, die freiheitlich demokratische (Rechtschreibung des Originals beibehalten) Grundordnung zu destabilisieren, sind Mitarbeitende dieser Unternehmen, Tochterunternehmen und Tarnfirmen als aktive Mithelfer einzuordnen und können somit ebenfalls als eine Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland eingeordnet werden.“

Nachweislich? Wie schon erwähnt, auf den Nachweis von „Falschinformationen und manipulierenden Desinformationen“ warten wir bis heute, im Bescheid findet sich nichts Konkretes dazu.

Es muss nicht einmal so dezidiert und argumentiert sein, wie wir es regelmäßig tun, wenn wir der Tagesschau ihre Lügen über Russland und die Ukraine vorhalten. Wenigstens ein Hinweis, wenn schon kein Nachweis? Bis heute – nichts!

Und dass ein Journalist, sein gesprochenes oder geschriebenes Wort, eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung darstellt, die eigentlich genau darin besteht, dass jeder sagen und schreiben darf, was ihm beliebt, ist selbstentlarvend.

Das Verdikt:

„Ihr weiterer Aufenthalt in Deutschland würde die Umsetzung der Sanktionsrichtlinien untergraben und somit die Interessen der Bundesrepublik Deutschland erheblich angreifen, sowie die sicherheitspolitischen und sonstige öffentlichen Interessen Deutschlands gefährden, die schwerer ins Gewicht fallen als Ihr Interesse daran, sich weiterhin in Deutschland aufzuhalten.“

Als die besagten EU-Sanktionen gegen russische Medien, darunter RT DE, beschlossen wurden, hat das bereits von Annalena Baerbock geführte Auswärtige Amt öffentlich und aus eigenem Antrieb das Versprechen abgegeben, dass die Sanktionen die Arbeit russischer Journalisten nicht tangieren werden. Diese dürften weiterhin ihrer Arbeit in Deutschland nachgehen, hieß es damals, zu gleichen Bedingungen wie Journalisten anderer Länder recherchieren, filmen, berichten. Dieses Versprechen wurde nun eklatant gebrochen.

Nach Bekanntwerden der Ausweisung Blagois und seines Kameramanns beeilte sich das Auswärtige Amt, die Nachricht in den sozialen Netzwerken als „Fake News“ darzustellen. Man selbst habe „kein Büro geschlossen“, wurde verlautbart.

Dabei ist es völlig unerheblich, wer die russischen Journalisten ausweist. Die interne Struktur des deutschen Gesamtstaates ist so, dass Landesbehörden für Aufenthaltserlaubnisse ausländischer Journalisten zuständig sind. Eine Versagung der Aufenthaltserlaubnis, die ein faktischer Angriff in die Pressefreiheit ist und die journalistische Arbeit eben faktisch unmöglich macht, ist und bleibt aus völkerrechtlicher Sicht ein Handeln Deutschlands und der Bundesrepublik und ihren Bundesbehörden zurechenbar.

Außerdem kann mir niemand erzählen, dass Landesbehörden Entscheidungen dieser Tragweite ohne Konsultationen mit dem Auswärtigen Amt und anderen Organen des Bundes treffen. Einflussmöglichkeiten hätte man da allemal, zumindest politisch, wohl auch rechtlich. Die faktische Schließung des Korrespondentenbüros durch Ausweisung seiner einzigen Mitarbeiter zu leugnen, den Betroffenen Lügen zu unterstellen und sich dann auch noch empört zu zeigen, wenn Russland es mit gleicher Münze heimzahlt, ist schäbig. Nicht, dass uns das noch wundern würde.

Mehr zum Thema – „Rache für Erfolge russischer Truppen“ – Journalist Blagoi zu seiner Ausweisung aus Berlin

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