Von PROF. EBERHARD HAMER | Schon vor 150 Jahren setzte der demokratische Sozialismus der von Marx behaupteten „zwangsläufigen Verelendung des Proletariats“ die aus der Französischen Revolution übernommene Theorie von der Gleichheit der Menschen gegenüber. Er setzte auf gleiches Wahlrecht für alle Menschen (auch Frauen) und damit politische Gleichheit durch (Art. 33 GG) und vor allem Rechtsgleichheit. Alle Menschen sollten frei und gleichberechtigt sein. Dies wurde in Preußen bis 1811 durchgesetzt. Bis dahin war die Landbevölkerung unfrei, Hörige der adeligen Grundherren.
Art. 2 GG formuliert die persönlichen Freiheitsrechte: „Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“
„Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.“
Und in Art. 3 wird die Gleichheit vor dem Gesetz formuliert: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“
Diese Rechtsgleichheit bedeutet Anerkennung der Menschenwürde jedes Einzelnen.
Freiheit und Selbstverantwortung jedes Bürgers
Aus der souveränen Rechtsperson jedes einzelnen Menschen folgt, dass dieser selbstverantwortlich über seine Lebensführung, seine wirtschaftliche Tätigkeit, seine Familie und seine Meinung bestimmen kann. Die Selbstverantwortung und Rechtsgleichheit jedes Einzelnen richtet sich nicht nur gegen Eingriffe privater Anderer, sondern auch gegen Staatseingriffe in die Persönlichkeitsrechte (Art. 1 bis 5 GG).
Die im 19. Jahrhundert erkämpfte persönliche Freiheit und Selbstbestimmung des einzelnen Bürgers hat gegenüber den Staatsansprüchen auf Beherrschung und Kontrolle der Einzelnen im Nationalsozialismus und Kommunismus nicht bestanden, weil diese Kollektivtheorien Kollektivansprüche höher als die Individualansprüche der einzelnen Bürger stellten („Die Partei hat immer recht“).
Die Demokratie sollte dagegen ebenso wie die Marktwirtschaft Freiheit und Selbstverantwortung jedes Bürgers garantieren. Die sozialistischen Politiker gingen weiter und forderten „soziale Gerechtigkeit“ durch wirtschaftlichen Ausgleich. Nicht nur die Startchancen – wie in der Marktwirtschaft –, sondern auch das wirtschaftliche Ergebnis müsse für jeden einzelnen „sozialgerecht“ sein. Daraus entstand die größte wirtschaftliche Umverteilung, die Deutschland je erlebt hat. Bei den „Besserverdienenden“ wurde nicht ihre Mehrleistung gesehen, sondern der Mehrertrag weggesteuert und umverteilt. So wurden die „gleichen Menschenrechte“ erst zur Gleichheit aller Menschen und dann zum Anspruch auf gleichen Lebensstandard ausgedehnt.
Die große Umverteilung
Entsprechend war auch in den Schulen die Zensurengebung für die Dummen und Faulen diskriminierend und deshalb abzuschaffen. Schon Gerhard Schröder kritisierte: „Meine Genossen wollen nicht nur den gleichen Start für alle, sondern auch gleichen Einlauf im Ziel!“. Wo also fleißigere und erfolgreichere Menschen mehr erreichten als andere, die sich in der Leistung zurückhielten, sollte der Staat unter dem Gesichtspunkt „sozialer Gerechtigkeit“ für wirtschaftlichen Ausgleich sorgen: Die große Umverteilung.
Die Umverteilung führte dazu, dass nicht nur die weniger verdienenden Unterschichten aus der fleißigen Mittelschicht alimentiert wurden, sondern auch die Konzerne eine immer üppigere Subventionierung aus dem Mittelstand erreichten:
Die große staatliche Umverteilung der Leistungserträge. Dazu gehört,
- dass sowohl bei den direkten wie auch bei den indirekten Steuern die Haushalte der Mittelschicht mit 31,1 Prozent bzw. 52 Prozent den Staat und die Randgruppen finanzieren müssen,
- dass der Mittelstand 56 Prozent der gesamten Soziallasten zu tragen hat, selbst (z. B. die Unternehmer) aber davon zum Teil ausgeschlossen ist,
- bei den Steuern nicht nur die mittelständischen Personalunternehmen einen höheren Steuersatz (Einkommensteuer) als die Kapitalgesellschaften (Körperschaftssteuer) haben, sondern 70 Prozent der internationalen Konzerne in ausländischer Hand mit Besteuerung im Ausland sind mit entsprechend geringeren Steuern im Inland, so dass ihre Körperschaftssteuer geringer als ihre Subventionen und sie damit Kostgänger der mittelständischen Personalunternehmen sind.
- Der fleißige Mittelstand trägt in Deutschland die höchsten Steuern und Sozialabgaben der Welt, weil er die immer höher gewordenen Staats- und Sozialleistungen vor allem an die Unterschicht finanzieren muss.
- Im Ergebnis leben deshalb sowohl die Haushalte der unteren Schichtengruppe als auch die Großunternehmen finanzwirtschaftlich von der Leistungskraft der mittelständischen Haushalte und Unternehmen. Im großen Karussell der öffentlichen Umverteilung ist der Mittelstand insgesamt wie auch mit seinen Teilgruppen der privaten Haushalte und Unternehmen ausschließlich Geber, die nicht-erwerbstätigen Haushalte der unteren Schichtengruppe größter und die Unternehmen der oberen Schichtengruppe (Unternehmen) Nehmer von Umverteilungsleistungen.
Anspruch auf wirtschaftliche Lebensstandardgleichheit
Berücksichtigt man nun weiterhin, dass auch der Staat bei der Umverteilung mehr Mittel für seine Bürokratie verbraucht (30 Prozent), so wird auch diese unwirtschaftliche öffentliche Umverteilungsbürokratie noch vom Mittelstand mitfinanziert.
Inzwischen haben sozialistische Regierungen bei uns die Umverteilung so ausgedehnt, dass nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil jeder den gleichen Anspruch auf Mindestlebensversorgung hat, ganz gleich, ob er arbeitet oder nicht. 8,5 Millionen Arbeitslose (drei Millionen) und „Bürgergeldbezieher“ (5,5 Millionen) haben den Anspruch auf öffentliche Versorgung auch ohne Eigenleistung „aus Menschenrecht“. Es wird so nicht nur immer mehr zwischen Besserverdienern und Schlechterverdienern umverteilt, sondern stärker noch zwischen Verdienern und Nichtverdienern. Von den 5,5 Millionen für Nichtarbeit bezahlten Bürgergeldbeziehern haben 28 Prozent in den letzten 20 Jahren nicht mehr oder nie gearbeitet, sondern auf Kosten der fleißigen Mehrheit einen gleichen Lebensstandard wie diese finanziert bekommen.
Die Rechtsgleichheit ist zum Anspruch auf wirtschaftliche Lebensstandardgleichheit geworden.
Das hat große gesellschaftliche Folgen gehabt:
- Nicht nur Landesbürgern wurde ein Leben ohne Arbeit finanziert, sondern auch Millionen in der Welt gescheiterten Armen wurde in Deutschland unter meist betrügerischem Asylforderungen ebenfalls ein „menschenwürdiger Lebensstandard“ ohne Eigenarbeit geboten.
- Wo immer in der Welt Krieg und Not herrschen oder sexuell Queere nicht zurechtkommen, leistet die deutsche Regierung Entwicklungshilfe (ca. 36 Milliarden) auf Kosten des deutschen Mittelstandes.
- Diese wachsenden Umverteilungsleistungen im Land und in der Welt muss eine immer kleinere Leistungsträgerschicht (15 Mio.) mit immer höheren Zwangsabzügen bezahlen, welche nicht nur die höchsten Steuern und Sozialabgaben der Welt für die größte Umverteilung unserer Geschichte zu zahlen hat, sondern welcher der Staat auch noch die Existenzvoraussetzungen vernichtet durch Kündigung des russischen Billigöls, durch Zwangsbezug dreifach so teurer amerikanischer Energie, durch Lenkung der Arbeitskräfte in mehrheitlich unproduktive Beschäftigung, so dass Fachkräftemangel für produktive Arbeit besteht, durch eine alle wirtschaftliche Tätigkeit strangulierende Gesetzesregulierung und zusätzlich wuchernde Bürokratiepflichten sowie durch unwirtschaftliche politische Zwangsorientierung auf z. B. Ökologie (Merkel, Habeck) oder Kriegsaufrüstung (Merz).
Träume der Gleichmacherei
Wer in Deutschland leistet oder leisten will, hat es immer schwerer. Wer dagegen nicht mehr leistet oder sich nur unproduktiv beschäftigen will, der wird aus „sozialer Gerechtigkeit“ immer mehr gefördert.
Wenn der Ertrag unserer wirtschaftlichen Leistung für die sozialen Umverteilungsansprüche nicht mehr genügt, wäre der Gleichheitstraum eigentlich längst nicht mehr finanzierbar. Es gibt aber einen Ausweg: Die Verschuldung. Längst nämlich haben unsere Regierungen von Merkel bis Merz mit der größten Verschuldung unserer Geschichte eine Insolvenzverschleppungsmöglichkeit geschaffen, die ihnen die Weiterfinanzierung ihrer Sozialträume des Umverteilungssystems noch so lange zu verlängern erlaubt, bis die Bevölkerung den Finanzbetrug erkennt, dagegen rebelliert und die Träume der Gleichmacherei im Crash versinken.

PI-NEWS-Autor Prof. Dr. Eberhard Hamer (* 15. August 1932 in Mettmann) ist ein deutscher Ökonom. Sein Schwerpunkt ist die Mittelstandsökonomie. In den 1970er Jahren gründete er das privat geführte Mittelstandsinstitut Niedersachsen in Hannover und veröffentlichte über 20 Bücher zum Thema Mittelstand. Hamer erhielt 1986 das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Seine Kolumne erscheint einmal wöchentlich auf PI-NEWS.
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