Von GÖTZ KUBITSCHEK* | […] Ich war zum ersten Mal in meinem Leben überhaupt auf einem Parteitag. Die Einladungen zu Landes- und Bundesparteitagen hatte ich in der Vergangenheit stets ausgeschlagen: Es muß einen Unterschied zwischen Partei und Vorfeld geben, und er kann sich unter anderem darin ausdrücken, daß man dann, wenn Entscheidungen getroffen werden, nicht in derselben Halle sitzt.
In Riesa, das war nicht schwer vorherzusehen, würde es nicht um Kampfabstimmungen und um Richtungsstreitigkeiten gehen. Hier würden keine Netzwerke gegeneinander antreten und ihren Kuhhandel veranstalten. Nur in einem Punkt würde hart und emotional gefochten werden: dort, wo es um die Zukunft der Jugendorganisation ging.
Ich erwartete eine selbstsichere und von sich selbst überzeugte AfD, und ich traf sie an: Denn die AfD ist die einzige Partei, die sich darüber freut, daß aus der geschlossenen Eisdecke Packeis geworden ist, das in der Dünung schaukelt – sanft, aber spürbar.
Das ist das, was über Jahre vorbereitet worden ist: mit Begriffen und Argumentationsketten, mit Richtungskämpfen, Häutungen und Wahlerfolgen, mit einer Professionalisierung in allen Bereichen. Das hat zu einer internen Berechenbarkeit geführt, die natürlich den Bewegungsgesetzen von Parteien innerhalb der parlamentarischen Demokratie folgt – wie auch sonst? Denn diese Gesetze sind ehern, wir haben alle unseren Max Weber und unseren Robert Michels gelesen und sind nicht naiv.
Interne Berechenbarkeit ist eines der Ergebnisse aushärtender Strukturen. Sie ist außerdem eine der Voraussetzungen für Regierungsfähigkeit, für die Beteiligung an der politischen Macht. Das sagt noch gar nichts darüber aus, ob man nicht doch die politischen Gegner mit symbolpolitischen Handlungen und Personalentscheidungen und unberechenbaren Drehungen an entscheidenden Stellschrauben überraschen und schockieren kann. Aber so etwas wird nur mit einer Mannschaft möglich sein, die in sich geschlossen agiert und sich nicht selbst überrascht, sondern alles Unberechenbare gegen die Gegner wendet.
Das haben in der AfD die wesentlichen Leute begriffen. Der Parteitag hat für diesen Vorgang ein Symbolbild erzeugt. Es zeigt Björn Höcke am Fuß der Rednerbühne und eine Alice Weidel, die sich zu ihm beugt, um Gratulation und Blumen entgegenzunehmen. Höckes Geste und Weidels Dank haben nichts Aufgesetztes und Gezwungenes. Denn Weidel hatte sich zuvor mit ihrer harten, kämpferischen Rede und den in ihr enthaltenen Signalwörtern explizit zum Höcke-Teil der Partei herübergeneigt.
Überhaupt, Alice Weidel: Ihre Plauderei mit Elon Musk hat sie (obwohl inhaltsschwach, geradezu schief) zu einem Wahlkampfmotor gemacht, und es wäre fahrlässig, ihr in die Parade zu fahren und den Motor ins Stottern zu bringen. In allen Gesprächen, die ich auf dem Parteitag führte (mit Landes- und Fraktionschefs, mit Kreisvorsitzenden und Direktkandidaten, einfachen Mitgliedern und Leuten der allersten Stunde), kam dies zum Ausdruck: Die Entdämonisierung und die Entlastung, die durch Musks lässige Vorstöße eingesetzt haben, sind das, was nur von außen hat bewirkt werden können. Daß es nun bewirkt wurde, ist in seiner Bedeutung und Dimension noch nicht begriffen worden.
Auch die hinter dem schmalen Gästekorridor platzierten Medienvertreter können diese Dimension nicht ermessen. Im Großen und Ganzen rückten sie dem Parteitag mit denselben Methoden zu Leibe, die sie seit Jahrzehnten anwenden, einfallslos, routiniert, dadurch irgendwie nicht an Entwicklungen interessiert und ratlos. Man möchte Nicole Diekmann, Ann-Kathrin Müller, Paul Middelhoff und viele andere fragen, ob sie sich schon als Volontäre vorgenommen hatten, so festgelegt und eingerastet zu arbeiten und Propaganda für diejenigen zu betreiben, die sowieso an der Macht sind.
Dabei gäbe es inhaltlich und atmosphärisch vieles zu berichten – bloß braucht man dazu einen breiteren Blickwinkel und anderes Vokabular. Es ist von großer Bedeutung, daß sich die weitaus stärkste Oppositionskraft Deutschlands den Begriff “Remigration” endlich ganz zu eigen gemacht und in ihrem Wahlprogramm festgeschrieben hat. Die AfD hat außerdem (und trotz Musk) eine Äquidistanz zu den USA und Rußland betont und sich eine deutsche Europa-Konzeption zur Aufgabe gemacht, die unseren Kontinent als unabhängige Größe zwischen den beiden Weltmächten verortet.
Parteiintern hat Weidel das, was man ein “Momentum” nennt: Ihrem Kurs, ihren Vorschlägen folgte in Riesa eine starke Mehrheit.
*Auszug aus einem Bericht von Götz Kubitschek vom 16. AfD-Bundesparteitag in Riesa. Den vollständigen Artikel gibt es auf sezession.de
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