Die Reihe von Artikeln in westlichen Medien, in denen die militärische Lage der Ukraine als kritisch dargestellt wird, setzt sich fort. Am Mittwoch erschien bei der britischen BBC ein Artikel, in dem vor einem „Zusammenbruch“ der Front im Osten gewarnt wurde.

In dem von gleich fünf Autoren verfassten Beitrag kommen die üblichen „Experten“ des US-amerikanischen Institute for the Study of War (ISW) und des britischen Kings College London zu Wort, die in der Vergangenheit durch einseitige und aus westlich-ukrainischer Sicht überzogen optimistische Einschätzungen aufgefallen waren.

Nun lautet ihr Urteil zusammengefasst so: Russland rückt zügig vor, der ukrainische Angriff auf das russische Gebiet Kursk ist eine strategische Katastrophe, die ukrainische Front im Osten könnte zusammenbrechen.

Die russischen Streitkräfte hätten laut ISW-Daten 2024 sechsmal mehr Territorium unter ihre Kontrolle bringen können als im Gesamtjahr 2023. Dabei näherten sich die Russen wichtigen Logistikzentren im Donbass und auch der Stadt Kupjansk im Gebiet Charkow. Auch im Gebiet Kursk müssen die ukrainischen Truppen zurückweichen.

Marina Miron vom Kings College wird mit der Aussage zitiert, dass die ukrainische Ostfront bei einem weiteren zügigen Vorrücken Russlands „tatsächlich zusammenbrechen könnte“.

Den ukrainischen Einmarsch in Kursk nannte Miron einen Moment „taktischer Brillanz“, aber auch eine „strategische Katastrophe“ für die Ukraine:

„Die ganze Idee war, vielleicht einen gewissen politischen Hebel in möglichen Verhandlungen zu gewinnen, aber militärisch die russischen Truppen aus dem Donbass abzuziehen, um Kursk zu befreien. Und was wir stattdessen sehen, ist, dass ukrainische Einheiten dort gebunden sind.“

Diese Darstellung russischer Erfolge wird relativiert durch den Hinweis auf russische Verluste, die durch den angeblich bevorzugten „Fleischwolf“ der Kommandeure noch verschärft würden. Die Verluste Russlands im Zeitraum von September bis November hätten 2024 um 50 Prozent höher gelegen als im selben Zeitraum des Vorjahres. Der Artikel verweist auf eine Analyse von BBC Russian, laut der seit Beginn der Militäroperation im Februar 2022 insgesamt 78.329 russische Soldaten getötet worden seien.

Der Artikel beschreibt auch die für die Regierung in Kiew zunehmend ungünstige politische Konstellation im „befreundeten“ Ausland. Man befinde sich in „einer Zeit erhöhter Unsicherheit“. Der designierte US-Präsident Donald Trump habe versprochen, den Krieg nach seinem Amtsantritt Anfang 2025 zu beenden. Man befürchte, dass er die für Kiew lebenswichtige Militärhilfe kürzen könnte. Der ukrainische Machthaber Wladimir Selenskij wird mit der Aussage zitiert, dass man in diesem Fall den Krieg verlieren werde.

Ganz am Anfang der Artikels wird die Entscheidung des scheidenden US-Präsidenten Joe Biden erwähnt, der Ukraine Angriffe auf russisches Territorium mit US-Raketen zu erlauben und ihr außerdem Antipersonenminen zu liefern. Diese Entscheidung wird in dem Artikel nicht bewertet, es wird auch nicht angedeutet, dass von ihr nennenswerte militärische Vorteile zu erwarten seien.

Am Ende will der Artikel den Eindruck vermitteln, dass es beiden Seiten um die Kontrolle eines möglichst großen Territoriums gehe, um die eigene Position bei möglichen Friedensverhandlungen zu stärken. In diesem Sinne wird auch die „Expertin“ Miron zitiert, laut der sich Russland mit seinem Vormarsch eine „stärkere Verhandlungsposition“ verschafft habe:

„Das, was sie im Moment kontrollieren, verschafft ihnen einen gewissen Vorteil. Wenn es zu Verhandlungen kommt, bin ich mir sicher, dass, wie die russische Seite betont hat, ‚wir es auf der Grundlage der Gefechtsfeldkonfiguration tun werden‘. Aus russischer Sicht haben sie viel bessere Karten als die Ukrainer.“

Seit der US-Wahl Anfang November sind in westlichen Leitmedien mehrere Artikel erschienen, die von der bisherigen Darstellung des Konflikts im Westen abwichen. So hieß es in einem Meinungsbeitrag bei Politico, dass der Krieg für die Ukraine nicht zu gewinnen sei. Westliche Versprechungen, die Grenzen von 1991 wiederherzustellen, werden als „Torheit“ bezeichnet. Ein Kommentar in der New York Times nannte den Konflikt vor wenigen Tagen einen „Stellvertreterkrieg“. Für die Verwendung dieses Begriffs wurde man in Deutschland vor einiger Zeit noch als „Russenpropagandist“ verunglimpft.

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