Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) traf sich am gestrigen Abend mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) im Kanzleramt zu einem kurzfristig anberaumten Krisengespräch, dies ausgehend des laut Spiegel „explosiven Positionspapiers zur Wirtschaftspolitik“, welches von Lindner am 2. November veröffentlicht wurde. Das Treffen verlief ergebnislos und endete laut Medienberichten nach drei Stunden.
Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel mutmaßte in der ARD, dass der Finanzminister mit seinem kontrovers wahrgenommenen Grundsatzpapier seine Entlassung provozieren wollte, um zu kommentieren: „So blöd ist der Scholz nicht“.
Hinsichtlich der geäußerten Kritik der Ampelpartner an seinem strategischen Vorgehen und den Inhalten seines Grundsatzpapiers erklärte Finanzminister Lindner am Sonntag auf X:
„Niemand kann akzeptieren, dass Deutschland wirtschaftlich nach hinten durchgereicht wird. Deshalb unternehme ich alles, damit wir uns selbst nicht länger im Weg stehen. Denn die Bürger wollen wieder stolz sein auf ihr Land. Es braucht eine Richtungsentscheidung.“
Das SPD-nahe RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) kommentierte zu der aktuellen Stimmung im Regierungsviertel:
„Nachdem am Freitag ein Wirtschafts-Papier von Bundesfinanzminister Lindner öffentlich wurde, eskaliert dieser Streit weiter.“
Am frühen Sonntagabend wurde dann im politischen Berlin bekannt, dass der Kanzler seinen Finanzminister in das Kanzleramt bestellt hat, wo zuvor bereits die „SPD-Spitze“ zu Beratungen versammelt war. Laut Bild-Informationen waren Lars Klingbeil und Saskia Esken sowie Generalsekretär Matthias Miersch und Fraktions-Chef Rolf Mützenich mit anwesend. Dazu heißt es:
„Das Ziel der Sozialdemokraten: Eine Verhandlungsstrategie für die anstehenden Krisentreffen mit den Koalitionspartnern festlegen.“
Ex-SPD-Chef und Ex-Bundesaußenminister Sigmar Gabriel erklärte wörtlich und gewohnt salopp im ARD-Talk „Caren Miosga“ zu den anberaumten Gespräch im Kanzleramt und Lindners Motivationen für sein Grundsatzpapier:
„Der hofft, dass man ihn rausschmeißt. Aber so blöd ist der Scholz nicht, das macht er nicht. Viel spricht dafür: Es geht weiter!“
Was für eine absurde Inszenierung, sich von aussen gut sichtbar und bestens ausgeleuchtet „vertraulich“ im Kanzleramt zu treffen! #Scholz #Lindner pic.twitter.com/FwGZ7TVKAY
— storymakers (@mz_storymakers) November 3, 2024
Laut dem Magazin Stern erklärte SPD-Vorsitzende Esken am Wochenende zu den jüngsten Entwicklungen, dass in der Regierung „die Hütte brennt“. Laut Bild-Artikel endete das Treffen zwischen Scholz und Lindner nach drei Stunden, ohne dass die wartenden Journalisten weitere Informationen erhielten.
Am Montagmorgen ist demnach geplant, dass das FDP-Präsidium zusammenkommt, um ihren „weiteren Kurs festzulegen“. Zudem werden die „Spitzen von SPD und Grünen tagen“. Für Mittwochabend ist dann laut hauptstädtischer Gerüchteküche „ein Koalitionsgipfel vorgesehen“. Weiter heißt es.
„Vorher will Kanzler Scholz dem Vernehmen nach noch mehrere vertrauliche Gespräche mit Lindner und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) führen.“
So plant der Bundeskanzler nach Spiegel–Informationen „seine beiden Minister bis Mittwochabend zwei, womöglich sogar drei weitere Male unter sechs Augen zu sprechen. Die Bild-Zeitung bezeichnet den anberaumten Mittwoch als den Tag, an dem „das endgültige Ampel-Aus droht, weil die Beteiligten am Abend zum Koalitionsausschuss zusammenkommen“, um gemeinsam über das Lindner-Papier samt Inhalten und Forderungen zu diskutieren. Lindner erklärte bereits am Sonntag im ZDF zu den jüngsten Dynamiken nach seinem Strategiepapier:
„Diese jetzige Situation mit unterschiedlichen Konzepten, Gesprächen des Kanzlers, Papieren von Herrn Habeck, Vorschlägen von meiner Seite – da kann ich den Bürgerinnen und Bürgern versprechen, diese Situation, die werden wir schnellstmöglich klären“
Lindner erklärte laut einem Spiegel-Artikel, dass sein kritisiertes Papier „zunächst nicht zur Veröffentlichung bestimmt“ war:
„Ich hab’ das Papier nicht selbst in Umlauf gebracht, sondern es gab eine Indiskretion.“
Weiter heißt es, dass FDP-intern „die Grünen im Verdacht“ waren, das Grundsatzpapier durchgestochen zu haben, „die wiesen die Anschuldigungen jedoch zurück“. Der kritisierte Finanzminister erklärte bereits am Freitag letzter Woche, dass „nicht derjenige, der Vorschläge macht, wie man das Land aus der Krise führt, sich rechtfertigen müsse“.
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