Von Rainer Rupp

In der Diskussion in Teil I wurde deutlich: Vor dem Hintergrund der revolutionär neuen Taktik der russischen Kriegsführung in der Ukraine muss das CIA-Narrativ von der Entsendung tausender Soldaten aus der DVRK zur Unterstützung der Russen an der Front in der Ukraine falsch sein. Denn wie bereits erklärt, führt Russland seine militärische Sonderoperation in der Ukraine mit der Taktik der „Combined Arms Operation“ aus. Das heißt, die russische Taktik besteht aus einer komplexen Interaktion verschiedener Waffengattungen und einer kombinierten, schnellstmöglichen Reaktionen auf jede neue Bedrohung. Wobei vom Moment der Entdeckung eines neuen, mehrere Kilometer entfernten Ziels bis zu dessen Zerstörung in der Regel nur wenige Minuten vergehen.

In diesem Zusammenhang kommt auch der perfektionierten Integration der komplett neuen Waffengattung der Drohnen bzw. ihrer Untergruppen „Aufklärung“ und „Kampfdrohnen“ in die Taktik der „Combined Arms Operation“ eine besondere Bedeutung zu. In dieser mehr oder weniger perfekt aufeinander abgestimmten russischen Kampfmaschine haben fremde Truppen keinen Platz; sie würden nicht helfen, sondern den Ablauf behindern und die russischen Truppen gefährden.

Wie man in Teil I unschwer erkennen konnte, ist diese Art von Kriegsführung mit kombiniertem Waffeneinsatz eine hochkomplexe Angelegenheit, in der jede Waffe und jeder Soldat seinen Platz hat, was auch für die Infanterie gilt. Alles ist aufeinander abgestimmt, und dieses Zusammenspiel kann man nicht einfach mal so nebenbei erlernen, sondern die Perfektionierung erfordert jahrelanges Training und Ausbildung. Daher hätten auch noch so gut als Einzelkämpfer ausgebildete nordkoreanische Hilfstruppen keinen Platz in diesem komplexen militärischen Ablauf, zumal auch noch sprachliche Probleme hinzukämen.

Etwas anderes wäre es, wenn Einheiten nordkoreanischer Infanterie auf dem Territorium des Oblast Kursk gegen die dort eingeschlossenen zwei- bis dreitausend ukrainischen Soldaten eingesetzt würden. Bei den eingeschlossenen Ukrainern handelt sich um die Restbestände aufgeriebener rechtsradikaler oder neonazistischer Brigaden, die den Kern der ukrainischen Kursk-Invasionstruppen gebildet hatten. Ideologisch fanatisiert wollen sich diese Einheiten nicht den Russen ergeben, auch weil sie – irrtümlich – hoffen, dass sie sich trotz Einkesselung in den spärlich besiedelten Waldgebieten des Kursker Gebietes lange genug verteidigen können, bis Entsatz aus der Ukraine kommt.

Bei den Kämpfen im Kursker Kessel gegen die verstreut ukrainischen Gruppen macht daher eine Anti-Guerilla-Operation weitaus mehr Sinn als eine moderne „Combined-Arms“-Kriegsführung. Theoretisch könnten also gut ausgebildete Einheiten aus der DVRK mit etwas technischer Hilfe seitens der Russen diesen Kessel erfolgreich ausräumen. Eine solche Vorgehensweise wäre sogar mit dem vor wenigen Tagen unterzeichneten russisch-nordkoreanischen Beistandsvertrag konform, in dem die gegenseitige Hilfe auf die Wiederherstellung der territorialen Integrität begrenzt ist. Dies wäre einwandfrei in Kursk der Fall, da es unangefochten russisches Territorium ist, in das die Ukrainer eingefallen sind. Im Gegensatz dazu wäre ein Einsatz von Truppen aus der DVRK an der Seite der Russen in der Ukraine vom russisch-nordkoreanischen Beistandsabkommen nicht gedeckt.

All das sagt uns aber immer noch nichts darüber, was die CIA im Schilde führt, wenn sie den Westeuropäern Angst einjagt mit der Vorstellung von zig Tausend Soldaten aus der DVRK in der Ukraine, die an der Seite der Russen auf dem Vormarsch in Richtung Westen sind. Das kann damit zu tun haben, dass – egal, wer bei den bevorstehenden Wahlen in den USA gewinnt – alles darauf hindeutet, dass nach der Wahl die Tonangeber in Washington ihr Interesse an der Ukraine umgehend verlieren und sich ganz dem Aufbau von Drohkulissen gegen China widmen werden.

Zugleich haben sich in letzter Zeit die Aufforderungen aus dem US-Kongress an NATO-Europa gehäuft, sich in Zukunft eigenverantwortlich und ganz ohne die Vereinigten Staaten um die Ukraine zu kümmern und sich selbst stärker gegen Russland in Stellung zu bringen. Mit der von der CIA in Szene gesetzten Bedrohung durch die „Gelbe Gefahr“ aus der DVRK, die schon bald an der Seite der Russen als Schreckgespenst an den Grenzen der EU stehen könnte, setzen die Amis womöglich auf die Wiederbelebung längst vergessener Urängste im Westen, um in der Bevölkerung die Opfer- und Kriegsbereitschaft zu mobilisieren. Aber das sind Spekulationen und wir werden sehen, was die Amerikaner wirklich mit uns Europäern noch vorhaben.

Zu guter Letzt noch eine Betrachtung, wie lächerlich und vor allem wie scheinheilig die Aufregung der Westpolitiker und Medien über die Entsendung von Soldaten aus der DVRK in die Ukraine ist. Mich erinnert das an das Jahr 2002, als der SPD-Verteidigungsminister Peter Struck die deutsche Beteiligung am US-amerikanischen Vernichtungskrieg gegen die Taliban in Afghanistan mit diesem seither berühmten Satz rechtfertigte:

„Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt.“

Mit dieser Aussage, so erklärte Struck später, habe er betonen wollen, dass die Abwehr von Terrorismus und die Stabilisierung der Lage in Afghanistan auch der Sicherheit Deutschlands und Europas dienen würden. In einem Kommentar stellte ich damals fest: Wenn Strucks Argument globale Gültigkeit hat, dann können wir hier in Deutschland erwarten, dass früher oder später auch China seine Sicherheit am Rhein verteidigen wird. Genau dafür hätte Peking inzwischen gute Gründe: Schließlich schickt Deutschland zur Unterstützung des weltgrößten Kriegstreibers sogar Schiffe seiner Bundesmarine in den Pazifik, um dort gemeinsam mit dem US-Terrorstaat und dessen anderen Vasallen Krieg gegen die Volksrepublik China zu üben.

„Wir müssen sie (die Terroristen) in ihren eigenen Ländern eliminieren, bevor wir sie an unseren Küsten bekämpfen müssen“, lautete mantraartig seit 2001 infolge von 9/11 die US-Rechtfertigung für Washingtons globalen Krieg gegen den Terror. Der war nichts anderes als ein Vorwand, um zahlreiche, bereits als aufmüpfig gelistete Länder zu überfallen. Seitdem wurden in diesen Ländern Millionen von Menschen von der US-Kriegsmaschine ermordet und zig Millionen zu Flüchtlingen gemacht. Womöglich ist hier der Grund für die Aufregung der politischen und medialen Eliten in Westeuropa über die Nordkoreaner in Russland zu finden. Denn womöglich werden die westeuropäischen Eliten von der Angst getrieben, dass China sich die US-amerikanische Logik der globalen Terrorbekämpfung zu eigen macht, nämlich die Terroristen in deren eigenen Ländern auszulöschen, bevor sie vor den Küsten der Volksrepublik China und der DVRK auftauchen.

Die bange Sorge ist, dass die Chinesen womöglich dem Beispiel der DVRK folgen, um, gemeinsam mit den Russen, die Menschen in Westeuropa von dem dort immer noch wuchernden Neo-Kolonialismus, Rassismus und Faschismus zu befreien. Damit würden sie zugleich die Ursachen der multiplen Völkermorde ein für alle Mal eliminieren, die von westeuropäischen Politikern im Laufe Zeit immer wieder rund um die Welt befohlen worden sind.

Aber vielleicht denken die Nordkoreaner und womöglich die Chinesen vorerst nur an eine weitere, vom damaligem SPD-Minister Struck gelieferte Rechtfertigung für deutsche Militäraktionen am Hindukusch. Wozu auch das von Bundeswehr-Oberst Klein befohlene Massaker an weit über hundert Zivilisten, Frauen und Kindern zählt. Damals ergänzte Struck seinen berüchtigten Satz mit der Erklärung, dass „die Abwehr von Terrorismus und die Stabilisierung der Lage in Afghanistan auch der Sicherheit Deutschlands und Europas dient.“

Auch diese Erklärung lässt sich aus Sicht der DVRK und Chinas problemlos zwecks Unterstützung Russlands anwenden, dass nämlich die Abwehr von ukrainischen Terroristen und ihrer westlichen Geld- und Waffenlieferanten und die Stabilisierung der Lage in der Ukraine auch der Sicherheit Nordkoreas und China und der ganzen eurasischen Region dient.

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