Von Felicitas Rabe

Am Donnerstag fand vor dem Landgericht Stuttgart der dritte Verhandlungstag im Prozess gegen den Unternehmer und Begründer der Querdenken-Bewegung, Michael Ballweg, statt. Ihm werden in knapp 10.000 Fällen versuchter Betrug und Steuerhinterziehung vorgeworfen. Ballweg soll die gespendeten Gelder von rund 575.000 Euro anstatt für Zwecke der Querdenken-Bewegung für sich privat verwendet haben, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Für den Prozess wurden insgesamt 30 Verhandlungstage angesetzt.

Im Interview mit dem Journalisten Norbert Fleischer nehmen Michael Ballweg und sein Strafverteidiger Ralf Ludwig in der Sendung YouNost auf NuoFlix am Sonntag Stellung zum aktuellen Stand des Hauptsacheverfahrens. Demnach bestünde nach Aussage von Ludwig die besondere Herausforderung des Verfahrens darin, dass „wir eine Anklage ohne Substanz haben“. Im Ermittlungsverfahren seien die Zahlen, um die es hier ginge –  „vorsichtig ausgedrückt – nach dem Zufallsprinzip zusammengetragen worden“. Da es sich bei den Vorwürfen um eine „Erzählung“ handele, müsse das Verteidigerteam nicht Tatsachen, sondern eine Erzählung der Staatsanwaltschaft widerlegen. Ludwig kommentierte:

„Wir müssen uns vor Gericht mit Märchen auseinandersetzen.“

Ballweg erklärte im NuoFlix-Interview, dass die beiden Zeugen aus dem fünfköpfigen polizeilichen Ermittlungsteam, ein polizeilicher Hauptermittler und eine polizeiliche Sachbearbeiterin, bei ihrer gerichtlichen Vernehmung nicht hätten sagen können, wo er jemanden geschädigt habe, beziehungsweise auch nicht ausgesagt hätten, wo er Geld für sich privat verwendet habe. Für den Stuttgarter Unternehmer bestünde das absurde und prägendste Element der bisherigen Verhandlung im Verhalten dieser beiden Zeugen des Ermittlerteams: „Beide haben betont, sie seien nur kleine Lichter und hätten eigentlich nur das gemacht, was ihnen gesagt worden sei“, so Ballweg.

Keine logische Herangehensweise

Was würde man von dem Ermittlerteam erwarten? Dem Strafverteidiger zufolge würde man bei einer polizeilichen Überprüfung der Vorwürfe erwarten, dass ermittelt würde, wie viele Schenkungsgelder Michael Ballweg über verschiedene Kanäle eingenommen hat und wie die Gelder für welche Zwecke ausgegeben worden seien. Falls beim Gegeneinanderrechnen von Schenkungseinnahmen und den Ausgaben für die Querdenken-Bewegung ein Delta festgestellt würde, müsse bei Ballweg nachgefragt werden: „Hier gibt es ein Delta, können Sie das aufklären?“

Die Problematik des Verfahrens bestünde darin, dass es diese Ermittlungen nicht gebe. Stattdessen würden „viele Zahlen in den Raum geschmissen – ohne Hand und Fuß“. Dabei seien weder alle relevanten Zahlen erfasst worden, noch habe das fünfköpfige Ermittlerteam geklärt, wer für welche Ausgaben- und Einnahmenermittlung zuständig sei. Die Ermittlung sei nicht koordiniert. Das sei für Ludwig bislang die wesentliche Erkenntnis aus dem Prozess:

„Es ist gar nicht klar, wer von dem Ermittlerteam welche Aufgabe macht, und deshalb wurde diese einfache Rechnung – wir halten Einnahmen und Ausgaben gegeneinander und gucken, ob es da ein Delta gibt – schlicht nicht vorgenommen.“

In der Presseerklärung von Querdenken 711 werden die Ergebnisse des dritten Verhandlungstags zusammengefasst: „Am dritten Verhandlungstag im Strafprozess gegen Michael Ballweg konnte der Hauptbelastungszeuge der Staatsanwaltschaft keine belastbaren Zahlen oder konkreten Ermittlungsergebnisse vorlegen. Das Verteidigerteam kritisierte das Vorgehen der Ermittlungsbehörden scharf und sieht in der schwachen Beweislage einen deutlichen Hinweis auf Fehlentscheidungen, die zur neunmonatigen Untersuchungshaft führten.“

Zitiert wurde dazu die Aussage von Ballwegs Rechtsanwalt Gregor Samimi: „Es scheint, als sei Michael Ballweg Opfer der Umstände geworden: zu wenig Mitarbeiter, keine klare Aufgabenverteilung, keine Überprüfung der Arbeitsergebnisse, kein Vier-Augen-Prinzip und die Angst, dafür verantwortlich zu sein, jemanden wie Michael Ballweg laufen zu lassen. Die Polizei interpretierte seine gepackten Koffer als Anzeichen einer geplanten Flucht, obwohl er lediglich eine Reise nach Costa Rica plante.“

Schikane und rechtswidrige Behandlung der Prozessbesucher

Der Kölner Rechtsanwalt Dirk Sattelmaier hatte als Prozessbeobachter an der Verhandlung in Stuttgart teilgenommen. In der aktuellen Sendung „Neues aus dem Gerichtssaal“ führt der Jurist, direkt im Anschluss an den Prozess, ein kurzes Interview mit Michael Ballweg und den Rechtsanwälten des Verteidigerteams: Ralf Ludwig, Gregor Samimi und Hans Böhme. Wie Strafverteidiger Ralf Ludwig dabei erläutert, hatte die Vorsitzende Richterin das Abfotografieren aller Ausweise der Prozessbesucher angeordnet. Ludwig erklärte dazu:

„Das Abfotografieren von Personalausweisen ist eine datenschutzrechtliche Angelegenheit. Und das darf man nicht so einfach.“

Und wenn ein Richter so etwas verfügt, dann müsse er das auch ordentlich machen, so der Strafverteidiger. Er müsse klären, wer der zuständige Datenschutzbeauftragte sei, wo und wie lange die Daten der Prozessbesucher gespeichert würden, wo man Widerspruch einlegen könne und ob nicht Teile der Daten auf dem Ausweis vor dem Fotografieren abgedeckt werden müssten. Indem sie dies alles nicht beachtet hat, habe die Richterin die Gerichtsöffentlichkeit nicht ordentlich hergestellt. Es sei möglich, dass damit das Gerichtsverfahren hinfällig sei. Ludwig kommentierte:

„Das ist tatsächlich ein absoluter Revisionsgrund. Damit könnte das ganze Verfahren schon hinfällig sein.“

Weitere Informationen zum Gerichtsprozess von Michael Ballweg findet man auf der Internetseite von Querdenken-711. Der nächste Verhandlungstermin ist für den 6. November geplant. 

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