Von Olga Samofalowa

Die ganze Welt hat auf die Entscheidung der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) zum Leitzins in dieser Woche gewartet. Nach zwei Jahren mit hohem Leitzins beschloss die Fed erstmals, diesen zu senken, und zwar gleich um 50 Basispunkte, also 0,5 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung betrug 60 Prozent, das heißt, dass der Markt dies erwartet hatte, er rechnete allerdings nicht damit, dass die Senkung so groß sein würde. Es ist nicht ausgeschlossen, dass US-Beamte eine Krise und Vorwürfe der Inkompetenz befürchteten und deswegen beschlossen, den Leitzins im Voraus zu senken.

Der Vorsitzende der Fed, Jerome Powell, blickt trotz Anzeichen der Verschlechterung der Lage am Arbeitsmarkt recht optimistisch auf die weitere Entwicklung des Landes. Ihm zufolge bestehe die Hauptaufgabe der Notenbank nach wie vor in einer „weichen Landung“ der Wirtschaft. Die Fed könne laut Powell im Zyklus der quantitativen Lockerung sowohl schneller als auch langsamer werden; oder eine Pause einlegen, falls dies notwendig sein sollte.

Allerdings zeigten Prognosen, die nach der Sitzung veröffentlicht wurden, dass sich zehn von 19 Beamten der Fed für eine zusätzliche Zinssenkung um mindestens einen halben Prozentpunkt bis Ende des Jahres aussprachen. Dabei bleiben bis Ende des Jahres nur noch zwei Sitzungen der Fed. Der Leitzins wird also entweder jeweils um 25 Basispunkte auf jeder Sitzung oder wieder um 50 Basispunkte auf einer davon gesenkt. Darüber hinaus prognostizieren Fed-Beamte für das Jahr 2025 eine Zinssenkung um weitere 100 Basispunkte.

Die Fed hatte begonnen, den Leitzins Anfang 2022 zu erhöhen, um eine beispiellose Preissteigerung aufzuhalten. Die Inflation in den USA erreichte nach der Pandemie den höchsten Stand seit 1981. Letztlich erhöhte die Fed den Leitzinssatz elfmal und brachte ihn auf einen zwanzigjährigen Höchstwert im Juli 2023.

Seitdem verminderte sich die Inflation merklich: Inzwischen beträgt sie 2,5 Prozent, was immer noch nicht den Zielwert von zwei Prozent erreicht. Insgesamt erscheint die Lage in der US-Wirtschaft nicht eindeutig. Einerseits sind Verbesserungen, andererseits Anzeichen von Spannungen bemerkbar. Die Sparschwemme, die die US-Amerikaner in den letzten Jahren unterstützte, ist aufgebraucht, während Zahlungsverzüge bei Krediten zunehmen. Der wachsende Verlust von Arbeitsplätzen könnte eine Kürzung der Ausgaben provozieren und die Wirtschaft verlangsamen, schreibt Bloomberg.

Daher kam es innerhalb der Fed zu Uneinigkeiten. Die einen setzten sich für eine Leitzinssenkung wegen eines schwachen Arbeitsmarktes ein. Während sich die anderen sorgten, dass es noch zu früh sei, die Zinsen zu senken, weil dies die Zunahme der Inflation beschleunigen könnte. Vorerst haben die Ersteren gewonnen.

Die Kühnheit des Schrittes der Fed wird noch dadurch verstärkt, dass der Zinssatz nur wenige Wochen vor den Präsidentschaftswahlen im November deutlich angepasst worden ist. Der republikanische Kandidat Donald Trump behauptete bereits, dass die Zinssenkung aus „politischen“ Gründen erfolgt sei, um seiner Rivalin Kamala Harris zu helfen, oder weil sich die Wirtschaft in einem „sehr schlechten“ Zustand befinde.

„Die Fed versucht, die Wirtschaft zu stimulieren, um eine Rezession zu verhindern. Die Vorteile für die Wirtschaft der USA liegen darin, dass billige Kredite helfen können, Investitionen und Konsumausgaben zu stimulieren, was die Nachfrage erhöht und das Wirtschaftswachstum beschleunigt. Eine Senkung des Zinses wird Hypothekenkredite billiger machen, was die Nachfrage nach Immobilien erhöhen könnte“, sagt der Privatinvestor und Gründer der „Schule für praktisches Investieren“ Fjodor Sidorow.

Darüber hinaus werde die Zinssenkung erlauben, die Kosten für neue Schuldenausgaben zu senken und den Staatshaushalt der USA zu unterstützen. Zunehmende Staatsverschuldung und Haushaltsdefizit wurden zu einem ernsthaften Problem für US-Beamte. Das Haushaltsdefizit beträgt sechs Prozent des BIP, was viel höher ist, als der Durchschnittswert in 50 Jahren, der 3,7 Prozent beträgt. Die Staatsausgaben der USA haben zugenommen, vor allem nach der Pandemie. Das Verhältnis der Staatsschulden zum BIP erreichte knapp 100 Prozent im Jahr 2023 und wird in zehn Jahren vermutlich 122 Prozent erreichen. Den USA fällt es immer schwerer, die eigenen Schulden zu bedienen, noch dazu bei hohen Leitzinssätzen. Eine Senkung des Zinses sollte diese Situation erleichtern.

Allerdings gibt es für die US-Wirtschaft auch Risiken: Eine zu schnelle Senkung des Leitzinses könnte zu einer neuen Zunahme der Inflation führen, weil billige Kredite den Konsum stimulieren und die Nachfrage erhöhen, so Sidorow.

„Eine Senkung des Leitzinssatzes vermindert auch die Attraktivität des Dollars, denn voraussichtliche Einnahmen daraus werden sich vermindern. Gleichzeitig könnte sich die Schwächung des Dollars unter Berücksichtigung des historischen Defizits der Handelsbilanz der USA auf künftiges Wirtschaftswachstumstempo positiv auswirken“, sagt der Leiter der analytischen Abteilung der Zenit-Bank, Wladimir Jewstifejew.

Nach der Bekanntgabe der Entscheidung der US-Notenbank ist der Dollar auf dem Weltmarkt sofort gefallen. Während Gold – als defensiver Vermögenswert – nach der Veröffentlichung der US-Notenbankentscheidung einen neuen historischen Rekord erreicht hat. Sein Wert an der Börse stieg auf 2.626,45 Dollar pro Feinunze.

Die Entscheidung der Fed wurde von der ganzen Welt beobachtet, denn auf die eine oder andere Weise betrifft sie die gesamte Weltwirtschaft. „Der Dollar bleibt eine der bedeutendsten Währungen weltweit. Zahlreiche Länder orientieren sich am Leitzinssatz in den USA bei Kreditpreisen. Die Entscheidung der Fed erscheint für den Großteil der Teilnehmer des Weltmarkts positiv. Für die Weltwirtschaft ist die Milderung von monetären Bedingungen ein Wachstumsfaktor“, meint Jewstifejew.

„Die Aktionen der Fed können die gesamte Weltwirtschaft durch den Globalisierungseffekt unterstützen. Doch eine Schwächung des Dollars könnte für Exporteure in die USA unvorteilhaft sein. Das sind Mexiko, China und Kanada“, sagt die Leiterin der analytischen Abteilung der Investitionsgesellschaft BKS Mir Inwestizij, Oxana Cholodenko.

Für Russland ist die Entscheidung der Fed sekundär, wird aber auf lange Sicht einen Wert haben. „Auch für Russland gibt es Vorteile. Niedrigere Zinssätze in den USA sorgen für Wirtschaftswachstum, was wiederum zu einer Nachfragesteigerung für Energieträger, die Hauptkomponente des russischen Exports, führt“, sagt Jewstifejew. Eine Senkung des Leitzinssatzes durch die Fed könnte den Rubel im Vergleich zum Dollar schwächen, weil sie Investitionen in die USA attraktiver macht, fügt Sidorow hinzu.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei Wsgljad am 20. September.

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