Von Em Ell

Die tonangebenden Stimmen der Politik und Massenmedien im Westen kritisieren BRICS-Staaten wie unter anderem Russland und China als Gegner unserer Werte und unserer real existierenden Demokratie. Einige Kritiker des Westens aus dem Westen selbst behaupten wiederum, dass der Westen und die BRICS gemeinsame Sache zur Durchsetzung der Globalagenda machen, wie sie von westlich dominierten Organisationen vorangetrieben wird, etwa vom Weltwirtschaftsforum (World Economic Forum, WEF) und den Vereinten Nationen (United Nations, UN). Oder gar von Geheimbünden und Endzeitsekten, die im Namen des Guten das Böse legitimieren.

Außerhalb der hiesigen Staats- und Konzernmedien äußern sich beispielsweise die Autoren Ernst Wolff und Tom-Oliver Regenauer publikumswirksam in diese Richtung. Auf solche exemplarische Kritik, dass der Westen und die BRICS unter einer Decke stecken, antwortet der in Russland lebende Betreiber des Portals Anti-Spiegel Thomas Röper in der Sendung Tacheles. Als Kernargument betont er dabei, dass kennzeichnend für die real existierenden Demokratien des Westens ihre tatsächlich plutokratisch-oligarchische Regierungsform privater Interessen über Stiftungen und sogenannte Nichtregierungsorganisationen ist, wohingegen deren Übergriffe auf Staaten des Globalen Südens und der BRICS von diesen begrenzt und verhindert werden. Auch der Ökonom Michael Hudson beschreibt dies als wesentliches Merkmal des Westens im Unterschied zu anderen Gesellschaften.

Kulturelle Dimensionen und Projektionen

Gesellschaften mit ihren Institutionen von außen zu unterwandern, wie es der Westen unternimmt, ist ein längerer Prozess. Erst recht, wenn er nicht nach einer solchen Niederlage und Besatzung wie in Deutschland und Japan im Zweiten Weltkrieg geschieht. Rückwärts ist er nur bedingt möglich. Bleibende kulturelle Zeugnisse – wie zum Beispiel Architektur, Sprache, Religion etc. – lassen sich nur bedingt „überschreiben“ beziehungsweise auslöschen. Sie sind nutzbar für eigene Entwicklungen jenseits solcher Unterwanderung von außen. Je größer diese kulturell-zivilisatorische Dimension ist, desto praktisch unmöglicher ist ein solcher Prozess. Im Gegenteil, er kann umgekehrt genutzt werden. Wer benutzt dann wen wie erfolgreich für seine Interessen? Das gilt umso mehr bei nackter Korruption und Gewalt als Mittel der Unterwanderung und Politik. Solche Politik mit Betrug und Verbrechen oder allgemein die Logik des Bösen und solche Komplizenschaften sind gerade keine verlässliche Basis. Sie können sich schnell gegen einen selbst wenden.

Eine globale Wirkmächtigkeit westlicher Elitenkreise zu behaupten, die alle anderen ungeachtet deren eigener kulturell-zivilisatorischer Dimensionen zum Teil einer gemeinsamen Agenda in ihrem westlichen Sinne macht, ist wesentlicher Ausdruck genau dieses Gedankenguts, des westlichen Menschen- und Weltbildes. Es ist eine Projektion „westlicher Allmacht“, die anderes ignoriert und negiert. Selbst solcherart westliche Kritik „westlicher Allmacht“ setzt ebenjene „westliche Allmacht“ bereits voraus – und ist damit gerade nicht kritisch, sondern typisch westlich.

Behauptungen, wie sie beispielhaft Wolff und Regenauer journalistisch verbreiten, sind methodisch nicht fundiert genug und generell unrealistisch. Ihre Argumentation über Verbindungen und Analogien ist zu oberflächlich. Dafür braucht es umfassendere Betrachtungen der Zusammenhänge wie in der soziologischen Feldanalyse. Zusammenkünfte von Personen und Ähnlichkeiten von Maßnahmen reichen nicht als Begründung für solche Behauptungen. Erst recht nicht, wenn der Westen erklärtermaßen „Full-spectrum dominance“ betreibt und mit seiner Globalagenda alles zur Waffe macht – Wirtschaft, Finanzsystem, Energie, Medien, Bildung, Wissenschaft, Digitalisierung, Bio-Sicherheit, Ernährung, Gesundheit, Klima, Gender, Migration, Kultur, Kunst, Sport etc.

Die kriegerische Agenda des Westens haben Russland und China in der Geschichte wiederholt auf ihrem eigenen Territorium durchlebt, worauf sie als globale Großakteure für sich und ihre Partner und Verbündeten entsprechend westlicher „Full-spectrum dominance“ mit eigenen Schritten strategisch reagieren müssen. Das heißt nicht, dass dieselbe Motivation, dasselbe kolonial-imperiale Gedankengut, Menschen- und Weltbild wie im Westen dahinterstehen.

Erneut: Dies derart auch von angeblich kritischer Seite zu behaupten, entspricht selbst dem Allmachtsgedankengut des Westens, also dessen Projektion – wonach der Westen mächtig genug ist, längst auch Russland und China als maßgebliche BRICS-Staaten in der Tasche zu haben, sodass sie genauso plutokratisch-oligarchisch „allmachtsmäßig“ (nach innen wie außen) ticken wie der Westen.

Das heißt, Allmachtsbehauptungen finden sich im Westen da wie dort, bei seinen offiziellen Vertretern wie bei seinen vermeintlich kritischen Stimmen. Und umso mehr solche Allmachtsbehauptungen in Gesellschaften das Erleben von Ohnmacht befördern, wirken sie da wie dort umso mehr im Sinne ebendieser Globalagenda und „Alternativlosigkeit“ des Westens – bewusst wie unbewusst, durch ihre offiziellen Betreiber wie durch ihre sogenannten Kritiker.

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